Höhere Immobilienpreise trotz Coronakrise
Die Wohnungsverkäufe in Deutschland steigen wie nie, während der Neubau nach wie vor hinterherhinkt
Das Geschäft mit Wohnungen boomt. Im Unterschied zu anderen Wirtschaftszweigen blieb die Immobilienbranche in Deutschland von negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie weitgehend verschont. Im Gegenteil: So belief sich im ersten Halbjahr das Verkaufsvolumen bei größeren Wohnungsbeständen ab 30 Wohneinheiten auf rund 13 Milliarden Euro - und legte damit gegenüber dem Vorjahreszeitraum um sagenhafte 80 Prozent zu, wie aus einer aktuellen Studie von BNP Paribas Real Estate hervorgeht. »Auch wenn man nur das zweite Quartal betrachtet, in dem der Lockdown und die Kontaktbeschränkungen voll wirksam waren, ergibt sich ein erfreuliches Bild«, erläutert Udo Cordts-Sanzenbacher, Geschäftsführer der Immobiliengesellschaft der französischen Großbank in Frankfurt am Main. Trotz des Wirtschaftseinbruchs gab es das »beste Ergebnis« der vergangenen fünf Jahre.
In den ersten Corona-Wochen hatten viele Experten noch ein Ende der seit mittlerweile zehn Jahren laufenden Immobilienrallye vorhergesagt. Sie verwiesen auf einbrechende Einkommen sowie die Unsicherheit über die zukünftigen Entwicklungen des Virus, der Wirtschaft und der Lebensverhältnisse allgemein. All das werde die Nachfrage nach Häusern und Grundstücke nachhaltig verringern.
Allerdings dürfte der Rückgang der Einkommen kleiner ausfallen als zunächst befürchtet. Hierfür spricht auch die Erfahrung aus der scharfen Rezession in der Finanzkrise 2008/09. Während das reale Bruttoinlandsprodukt um sieben Prozent absackte, gingen die verfügbaren Einkommen pro Kopf im vierten Quartal 2008 um 2,5 Prozent zurück und begannen bald wieder zu steigen.
Ausschlaggebend dafür waren damals wie heute die Instrumente Kurzarbeit und Arbeitszeitkonten, die umfangreiche Entlassungen verhinderten. Neu gegenüber damals ist, dass es immer mehr an Fachkräften mangelt, worauf die Bundesagentur für Arbeit hinweist. Außerdem setzt die Politik auf Länder-, Bundes- und EU-Ebene finanzielle Ressourcen ein, um Härten für Unternehmen und Haushalte abzufedern.
All diese Gründe sprechen nicht nur aus Sicht von Bankanalysten dafür, dass die Häuserpreise in Deutschland aktuell wenigstens stabil bleiben. Hinzu kommt, dass viele internationale Investoren deutsche Immobilien mehr denn je als »sicheren Hafen« ansehen. Was die Nachfrage und damit die Preise zukünftig weiter ankurbeln dürfte.
Maßgeblicher Antreiber wird die in der Coronakrise weiter gelockerte Geldpolitik der Europäischen Zentralbank und anderer Notenbanken bleiben. Sie macht Baufinanzierungen und Kredite für den Immobilienkauf im historischen Vergleich extrem preiswert. Gleichzeitig beflügelt die expansive Geldpolitik die Nachfrage nach Investitionen in Beton: Anlegern bleiben außer Aktien kaum noch renditestarke Alternativen.
Danach handeln auch Lebensversicherern, die zu einem immer wichtigeren Spieler im Monopoly werden: Der Immobilienanteil an ihren Kapitalanlagen hat sich seit 2009 von rund sechs auf elf Prozent fast verdoppelt, so die Unternehmensberatung EY. Das soll Rendite bringen, während die Versicherer etwa 80 Prozent in sichere, niedrigverzinste Wertpapiere investieren.
Wohnen und Logistik erhalten durch Corona einen zusätzlichen Push, während Büros und Hotels an Bedeutung leicht verlieren. Auch regional unterscheiden sich die Märkte. Dabei spielt die Demografie eine große Rolle sowie das Stadt-Land-Gefälle bei Leerständen. Während die Preise für Wohnimmobilien in ländlichen Kreisen im ersten Quartal um sechs Prozent stiegen, wurden Häuser in den sieben größten Metropolen sogar um nahezu zehn Prozent teurer, meldet das Statistische Bundesamt.
In der Praxis gehen die rasanten Preisanstiege auf den zahlreichen Weiterverkauf vorhandener Immobilien zurück. Der Neubau hinkt hingegen der Nachfrage nach neuem Wohnraum weit hinterher. Das liegt aus Sicht des Wohnungsunternehmensverbandes GdW auch an zu hohen Baupreisen und staatlichen Auflagen. Mit Blick auf den sozialen Wohnungsbau sei die Lage sogar dramatisch, kritisiert GdW-Präsident Axel Gedaschko. Der frühere Hamburger Wirtschaftssenator spricht von einer »katastrophalen Bedarfsunterdeckung«. Besonders schlecht sei die Situation in Berlin. Der Deutsche Mieterbund fordert angesichts der aktuellen Preisentwicklung jetzt einen bundesweiten Mietenstopp, auch wenn dies natürlich ebenso wenig keine neuen Wohnungen in den Metropolen schaffe.
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