Einen Hitlerkuchen ohne Sahne, bitte!

  • Adrian Schulz
  • Lesedauer: 3 Min.

Warum nimmt man eigentlich zum Defäkieren kein Gleitgel? Oder zum Backen? Erinnert sich noch jemand daran, dass Markus Lanz mal die Fernsehshow »Wetten, dass...?« moderiert und sich dabei Eis in die Hose geschüttet hat? Hängen die Früchte zu hoch, oder muss man sich einfach nur gehörig in die Länge strecken? Wie schnell kommt der Außenaufbau voran? Was wäre passiert, wenn Barbara Salesch zu den Spice Girls gegangen wäre? Wenn die Füße die Flossen sind, ist der Kopf dann der Kopf? Wie geht guter Sex? Und halten sich auch alle an die gängigen Richtlinien zur Polizeitrennung?

Das sind so Fragen, die mich heute beschäftigen. Morgen werden es andere sein. Meine Psyche fühlt sich nach Pink-Grapefruit-Träumen und quälend langem Kampf gegen die Badezimmertür (Ziehen? Drücken? Schieben? Drehen? Dafür gibt es doch DIN-Normen, Verwaltungshäuser, Baugerichtshöfe, hallo-ho?) wie ein im Barbershop gezupftes Huhn, das in die falsche Richtung geschaut hat. Die wenige Hellsicht, die ich mir in langen Jahren mühsamen Vegetierens auf mein privates Bewusstseinskonto habe abzweigen können, geht dafür drauf, die Uhrzeit richtig zu lesen. Viele lesen sie nämlich falsch und kommen dann zu spät. Das übernimmt die Versicherung nicht.

Die Frage aber, die uns wirklich alle bewegt, lautet doch: Wie weit sind Sie bereit, für Ihre Überzeugungen zu gehen? Würden Sie die Polizei wegen eines Gepäckstücks rufen, das Sie für verdächtig halten? Würden Sie nach dem Machtwechsel einen Hitlerkuchen mit Sahne kaufen, auch wenn Sie keine Sahne mögen? Würden Sie, wie in Frankreich diese Woche geschehen, einen Busfahrer töten, weil er von Ihnen einfordert, eine Gesichtsmaske zu tragen? Würden Sie jemandem, der Ihnen »blöd kommt«, ein Bein stellen - obwohl Sie ja eigentlich über zwei verfügen, also fünfzig Prozent Leistung bei dieser Schwachsinnsaktion flöten, wusch, weg, in die Luft gingen?

Zum Abschluss möchte ich Ihnen eine Postkarte aus dem Radonstollen Bad Kreuznach schicken, die ich aus einer Sammlung des Künstlers Martin Parr kenne. Sie finden sie ganz einfach, wenn sie in der Google-Bildersuche »radonstollen ansichtskarte« eingeben. Darauf sehen wir ein gutes Dutzend Menschen in Achtziger-Jahre-Kleidung auf Liegen liegen und die gegenüberliegende Grottenwand beschauen. Sie warten auf etwas, das sieht man ihnen an. Nur worauf? Ich glaube: auf Sie. Radontherapie wurde, so informiert Wikipedia, 2001 aus dem Heilmittelkatalog gestrichen, wird aber bei ärztlicher Verordnung weiterhin von der Kasse bezahlt. Zeigen Sie Ihrer Hausärztin doch beim nächsten Besuch ein Bild von mir.

Inneres Auge. Das innere Auge.

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