Macrons Bewegung zieht nach rechts

En marche geht bei zweiter Runde der Kommunalwahl Mitte-rechts-Bündnisse ein

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.

Mit 98 Tagen Verspätung findet am Sonntag in Frankreich die zweite Runde der Kommunalwahlen statt. Eigentlich hätte am 22. März der Urnengang stattfinden sollen, doch die Corona-Epedemie machte dies unmöglich. Im Nachhinein hat es noch eine heftige Polemik gegeben, warum nicht schon der erste Wahlgang am 15. März abgesagt wurde. Inzwischen weiß man, dass sich dabei nicht wenige Wähler und Wahlhelfer infiziert haben. Die Wahlbeteiligung mit nur 44,6 Prozent so schlecht wie noch nie, vor allem wegen der Furcht älterer Wähler vor dem Virus.

Die wirkt immer noch nach, so dass man auch für kommenden Sonntag mit einer unterdurchschnittlichen Beteiligung zu rechnen ist. Dabei wird diesmal nur in etwa einem Sechstel der Städte und Gemeinden des Landes gewählt. In mehr als 30 000 der insgesamt 36 000 Kommunen des Landes hat bereits beim ersten Wahlgang eine der Listen auf Anhieb die absolute Mehrheit errungen. Dort amtieren bereits seit dem Ende der Ausgangssperre am 23. Mai die neuen oder wiedergewählten Bürgermeister und Kommunalratsmitglieder. So klare Verhältnisse gibt es vorwiegend in kleinen Städten und Gemeinden, wo oft die Persönlichkeit des Bürgermeisters den Ausschlag gibt.

In den restlichen Kommunen, bei denen es sich zumeist um mittlere und große Städte handelt, konnte sich im ersten Wahlgang keine Liste durchsetzen und dort fällt die Entscheidung erst am Sonntag. In der Zwischenzeit gab es intensive Verhandlungen zwischen den verschiedenen Parteien und ihren Kandidaten vor Ort, um möglichst aussichtsreiche Bündnisse zu schmieden. Dabei stehen die Chancen für die von Emmanuel Macron 2016 gegründete Bewegung La République en marche (LREM), die seit seiner Wahl 2017 zum Präsidenten und den nachfolgenden Parlamentswahlen die Regierung trägt, relativ schlecht. Da zur Bewegung des Präsidenten vor allem höher qualifizierte und besserverdienende Franzosen gehören, die meist in Paris oder anderen Großstädten leben, ist LREM an der Basis des Landes kaum verankert. Das rächt sich jetzt. Im ersten Wahlgang landeten die LREM-Listen bestenfalls auf dem zweiten, oft aber nur auf dem dritten oder vierten Platz.

Aussichten, sich am Sonntag in einer Großstadt durchzusetzen, hat die Bewegung vielleicht in Aix-en-Provence, Straßburg und Besançon. In Paris liegt ihre Kandidatin, die ehemalige Gesundheitsministerin Agnès Buzyn, weit abgeschlagen auf dem dritten Platz; die Sozialistin Anne Hidalgo hat beste Aussichten, ihr Amt als Bürgermeisterin zu verteidigen. Gefährlich könnte ihr vermutlich nur die rechte Herausforderin Rachida Dati werden, die unter Präsident Nicolas Sarkozy Justizministerin war.

In anderen Großstädten sind die Aussichten für LREM nicht besser. Darum sind in Lyon, Bordeaux und anderen Städten die Spitzenkandidaten von En marche auf die Listenführer der rechtsbürgerlichen Oppositionspartei der Republikaner zugegangen und haben mit ihnen gemeinsame Listen ausgehandelt. Einig sind sie sich vor allem darin, Wahlsiege von den Grünen und den vielerorts mit ihnen verbündeten linken Parteien und Bewegungen zu verhindern. Die Grünen haben im ersten Wahlgang sehr gut abgeschnitten, so dass sie sich für den zweiten Wahlgang schon den Sieg in einer ganze Reihe von Städten ausgerechnet haben.

Christian Jacob, Parteivorsitzender der Republikaner, hetzt gegen die Grünen: sie seien Wegbereiter der extremen und gewaltbereiten Linken. Mit »Umweltterror« und Wachstumsdrosselung gefährdeten sie die Wirtschaft und den Wohlstand aller. »Diese Partei ist wie die Wassermelone: außen grün und innen rot«, sagt er, und von den Macron-Leuten kommt kein Widerspruch. Diese Mitte-rechts-Zweckbündnisse machen für viele Franzosen deutlich, was von Emmanuel Macrons Beteuerungen aus dem Präsidentschaftswahlkampf zu halten ist, er stehe weder rechts noch links, sondern habe parteienübergreifend einzig die Interessen des Landes im Auge.

Wenigstens stehen alle demokratischen Parteien und Bewegungen noch zu ihrem gemeinsamen Ziel, das rechtsextreme Rassemblement National zu isolieren. Die von Marine Le Pen geführte Bewegung blitzt überall mit ihren Anbiederungsversuchen ab. Voraussichtlich kann sie nur ihre Handvoll angestammter Kleinstädte im Nordwesten und Südosten des Landes verteidigen und keine neuen hinzuerobern.

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