Festival der Tränen

Die Veranstaltungssaison 2020 fällt in Brandenburg wegen der Coronakrise ins Wasser, auch auf das nächste Jahr wirkt sich die Pandemie aus

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

SPD, CDU und Grüne haben sich in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, Brandenburg zu einem »Land der Festivals« zu entwickeln. Allerdings machten die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie diesem Vorhaben erst einmal einen Strich durch die Rechnung.

Die trüben Aussichten für die Festivals waren jetzt Thema im Kulturausschuss des Landtags. Brandenburgs Popmusikbeauftragte Franziska Pollin schilderte dort, wie der Lockdown den Veranstaltern großer und kleiner Festivals in die Parade fuhr. In guten Zeiten zählten die etwa 120 Festivals zusammen rund eine halbe Million Besucher. Aber: »Es wird in diesem Jahr keinen Festivalsommer geben können.« Die aktuellen »Lockerungen« kommen zu spät, denn Veranstalter solcher Großereignisse müssen langfristig planen und auch in bedeutendem Maße in Vorleistung gehen. Eine »Saison« 2020 werde nicht stattfinden können.

Zusätzlich geschädigt werden die Veranstalter von Festivals in Brandenburg, weil die Nachbarländer Berlin und Sachsen als »Vorreiter« schon ab 30. Juni kulturelle Großereignisse mit bis zu bis 1000 Teilnehmern wieder zulassen wollen, während Brandenburg bis September damit warten will.

Sie könne eine Verordnung dazu nicht alle zwei Wochen ändern und einzelnen Ansprüchen anpassen, bedauerte Kulturministerin Manja Schüle (SPD). Betroffen sind laut Pollin nicht allein Musikfestivals. Es gebe in Brandenburg beispielsweise auch Literatur-, Yoga-, Film- und Theaterfestivals. Ohne die Coronakrise hätten die nicht kommerziellen Festivals zusammen mit einem Umsatz von 4,6 Millionen Euro rechnen können, erklärte Pollin. Den entstandenen Schaden durch Vorleistungen, Rechnungen also, die schon bezahlt werden mussten, obwohl die Veranstaltungen nun gar nicht stattfinden können, bezifferte sie auf 670 000 Euro. Nicht mitgerechnet seien dabei die vielen Menschen, die fest angestellt sind oder für ein Event angeheuert werden, sowie Zulieferer, die nun keine Aufträge erhalten. Als Beispiel nannte sie ein Festival in Storkow. Weil es ausfällt, erhalten 130 Künstler keine Gage.

Noch eine »ganz andere Hausnummer« seien die vielen privaten Festivals, die mit Gesamteinnahmen von 50 Millionen Euro kalkulierten. Dort werde der entstandene Schaden auf mindestens zwölf Millionen Euro geschätzt. Ein Lausitzer Musikfestival habe erfahrungsgemäß 18 000 Besucher angelockt und zeitweise 1300 Menschen Arbeit gegeben. Mit Einnahmen in Höhe von 2,2 Millionen Euro sei zu rechnen gewesen. Eine halbe Million Euro sei vergeblich für Vorbereitungen ausgegeben worden. Dem stünden nur 150 000 Euro Hilfszahlungen vom Staat gegenüber, rechnete Pollin vor.

Es sei nicht damit zu rechnen, dass »über Nacht« wieder durchgestartet werden könne, mahnte Pollin. Denn zwischen einem und anderthalb Jahren Vorbereitungszeit seien für eine solche Großveranstaltung erforderlich. Auch auf das kommende Jahr wird sich demzufolge die Corona-Pandemie noch auswirken.

Kulturministerin Schüle sagte, Betroffene könnten beantragen, 50 Prozent der Ausfälle zwischen März und August erstattet zu bekommen. Bei einer Beratung mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) Mitte Mai sei herausgekommen, dass es keinen einheitlichen Weg aus der Krise geben werde und jedes Bundesland den eigenen suchen müsse. Die AfD forderte, auf der Stelle alle coronabedingten Einschränkungen aufzuheben. Doch Ministerin Schüle lehnte das ab. Sie erklärte: Würde bei einem Konzert eine neue Massenansteckung mit dem Virus vorkommen, »wären die Festivals erst recht am Ende«.

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