• Kultur
  • Caspar Brötzmann Massakers

Schreien, sägen, kratzen, bollern

Maskuliner Noiserock und materialistische Gitarrensoli: Das Werk des Caspar Brötzmann Massakers ist wieder erhältlich

  • Benjamin Moldenhauer
  • Lesedauer: 3 Min.

Soll ich mir die Kante geben?«, fragt eine düstere Stimme zu Beginn von »Koksofen«, dem vorletzten Album des Caspar Brötzmann Massakers. Die Frage ist eine rhetorische, sie wird dann auch gleich beantwortet von der Musik: Der Amp dröhnt und bollert, jeder kleinste Anschlag auf den Saiten gibt maximalen Ausschlag und Feedback übers Normalmaß. Alles soll fordernd und brutal klingen. Und in einer Welt, die so ist, wie das Instrument des Gitarristen Caspar Brötzmann es behauptet, ist man wohl wirklich besser zugedröhnt. Vereinzelte, autistische Töne, Feedback-Gewimmer und -Gekreische und Verstärkerbrutzelgeräusche werden immer wieder aufgebrochen von straighten Rockparts, die mit einfachen Mitteln - Gitarre, Bass, Schlagzeug - Druck machen.

»Koksofen« ist zuerst 1993 erschienen. Das Label Southern Lord hat im letzten Jahr damit begonnen, die insgesamt fünf Alben des Caspar Brötzmann Massakers wiederzuveröffentlichen. Man ahnt, was Label-Gründer Stephen O’Malley, unter anderem Gitarrist bei den Drone-Extremisten Sunn 0))), an dieser Musik gefällt. »Auf dass es Zeit wird«, intonierte Brötzmann auf dem im Jahr zuvor erschienenen Vorgänger »Der Abend der schwarzen Folklore«. »Schwarze Wände bauen sich auf.« So sollte diese Musik selbst klingen, und so klingt sie in ihren besten Momenten dann auch tatsächlich. In ihren schlechteren klingt sie wie ambitioniertes Düstermanntheater.

Jetzt ist das letzte der fünf Re-Issues erschienen: »Home« (1995), das Neueinspielungen von fünf Songs der ersten beiden Alben (»The Tribe«, 1987 und »Black Axis«, 1989) versammelt. Die Songs sind auf »Home« meist bis an die Zehnminutengrenze herum verlängert worden und klingen zugleich wesentlich kompakter als die Selbstfindungsversuche der Band auf den ersten beiden Alben. Schlagzeuger Danny Arnold Lommen, zuvor bei der großartigen holländischen Instrumental-Metal-Band Gore tätig, und Bassist Eduardo Delgado-Lopez bauen die Basis, auf der Brötzmann sich an der Gitarre austoben kann, die lärmt, sägt, schreit, kratzt und bollert.

Das Instrument fungiert bei Caspar Brötzmann nicht als Angebermedium, auf dem dann versiert herumonaniert wird, sondern als Erweiterung des eigenen Körpers und seiner Möglichkeiten, sich auszudrücken. Auch ein langes Gitarrensolo klingt hier sozusagen materialistisch. Das unterscheidet diese Musik von der vieler anderer Gitarrenvirtuosen. Brötzmanns Spiel hat so ziemlich alles an historisch überliefertem Feedback und abnormem Geschrubbel aufgenommen, von Jimi Hendrix bis zum Noise der Swans, es dann aber zu etwas Eigenem verrührt.

Die Dynamik und Intensität, die etwa die Stücke »Tempelhof« und »Massaker« auf »Home« entfalten, hat tatsächlich etwas Zeitloses. Wüsste man es nicht, man könnte nicht wirklich sagen, ob der Noiserock von Caspar Brötzmann 1990, 2001 oder 2018 entstanden ist. Unglückselig zeitgebunden wiederum wirkt das alles meist dann, wenn der Gesang sich vorübergehend in den Vordergrund drängt. »Soll ich mir die Kante geben/und dich ins Unglück stürzen/mit einem Herzen voller Falten tragend«, geht die »Hymne« weiter, von Brötzmann durchweg mit arg bedeutungsschwangerem Timbre ins Mikro geraunt. Das mag im Westberlin der 80er und 90er Jahre - zwischen besinnungslos zusammengekloppten Stahlskulpturen, Durchmachen im Tacheles, Heroin Chic und sehr, sehr vielen Nick-Cave-Imitatoren - noch irgendwie hingegangen sein. Heute aber wirkt diese Inszenierung dunkler, extremer und gewaltvoller Maskulinität vor allem angestrengt und auch ein bisschen stumpf.

Wenn die Einstürzenden Neubauten exemplarisch für den todernsten Strang der Westberliner Pop-Avantgarde stehen und Die tödliche Doris für den queeren und ironischen, gehört das Caspar Brötzmann Massaker zum ersten: eine Noise-Rock-Band, die mit ihrer Virtuosität in der Westberliner Subkultur der damaligen Zeit eine Ausnahme blieb. Aber wie auch bei den Neubauten gilt, dass man das alles lieber instrumental hätte. Immer wenn Caspar Brötzmann nicht singt, sondern seine Gitarre nur schön freidrehen lässt, entstehen maximaler, schöner Druck und musikalischer Reichtum.

Alle wiederveröffentlichten Alben gibt es beim Label Southern Lord Recordings: https://southernord.com/band/caspar-brotzmann/

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