Hannovers Ex-OB freigesprochen
Urteil beendet »Rathausaffäre« um illegale Gehaltszulagen - Mitangeklagte Führungskräfte bestraft
Durchaus nicht jedes nebulöse Geschehen in einer Kommunalbehörde landet in den Ordnern der Justiz, in den roten, den Strafakten. Doch im Rathaus der Niedersachsenhauptstadt Hannover waberte der Nebel verwaltungsinterner Vorgänge derart dicht, dass ihn die Staatsanwaltschaft gelichtet sehen wollte.
Deshalb hatte sie im November 2019 gegen drei Spitzen der Stadtverwaltung Anklage erhoben. Gegen Oberbürgermeister Stefan Schostok (SPD), weil er unrechtmäßige Gehaltszulagen für seinen Büroleiter Frank Herbert gebilligt habe, gegen den Empfänger dieses Geldes und gegen den Personalchef Harald Härke. Habe der doch dem Extrasalär seinen Segen gegeben. Nach elf Verhandlungstagen, verteilt auf vier Monate, hat das Landgericht am Donnerstag sein Urteil gefällt.
Der ehemalige OB durfte mit einem Freispruch nach Hause fahren. Immer wieder hatte er beteuert, nicht gewusst zu haben, dass die Sonderzahlungen an den Büroleiter illegal waren. Diese Zuwendungen bildeten den Kern, um den sich die »Rathausaffäre« drehte: ein kaum zu durchschauendes Gewusel um gegenseitiges Schuldzuschieben, vermeintlicher Anschwärzereien, umstrittene Informationen zur und von der Landesregierung, versuchtes Job-Zuschustern zugunsten einer Herzallerliebsten, und, und, und.
Inmitten jener Affäre, die das Vertrauen nicht weniger Hannoveraner in »ihre« Verwaltung und besonders deren Leitung erschütterte, musste sich der Ex-OB gegen den Vorwurf der Staatsanwaltschaft wehren, er sei »durch Unterlassen« der besonders schweren Untreue schuldig geworden. Weil er nichts gegen das verbotene Gehaltsplus getan habe, das monatlich etwa 1400 Euro betrug und sich im Laufe der Jahre auf 50 000 Euro summiert hatte.
Doch eine Strafe bleibt dem 55-jährigen Schostok erspart. Das Landgericht begründete den Freispruch sinngemäß: Zwar sei dem Oberbürgermeister eine Info über die Rechtswidrigkeit der Sonderzahlung zugegangen, aber mehr vertraut habe er sowohl seinem Büroleiter als auch Personalchef Härke. Beide hatten bekundet, alles sei »in Ordnung«. Zumal Härke seinerzeit versichert hatte, die Sache sei mit der Kommunalaufsicht des Innenministeriums abgesprochen. Und so erscheint dem Gericht Schostoks Aussage glaubhaft, dass er den Zuschlag als legitim angesehen habe.
Auf einen Freispruch hatte auch der Nutznießer jenes Geldes, Büroleiter Frank Herbert (50), gehofft. Doch gegen ihn erging eine Geldstrafe von gut 20 000 Euro wegen Betrugs durch Unterlassen. Das ist dem Beamten nach Ansicht des Gerichts vorzuwerfen, weil er nicht im Gespräch mit dem Dienstherrn einen Ausgleich für seine unstrittige Mehrarbeit gesucht habe, etwa durch Abbau von Überstunden. Stattdessen habe er einen anderen Weg gewählt: die - von Erfolg gekrönte - Frage bei Personalchef Härke, ob eine finanzielle Entschädigung möglich sei. Herbert, den die Stadt inzwischen in einen anderen Fachbereich versetzt hat, hätte sich mit Blick aufs Besoldungsrecht informieren müssen, ob eine solche Zulage überhaupt erlaubt sei, meint das Gericht.
Zu elf Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilte die Kammer Harald Härke. Er habe Untreue begangen. Sowohl durch die Veranlassung der Zulage für Frank Herbert als auch durch die Genehmigung eines illegitimen Extrageldes zugunsten eines leitenden Feuerwehrbeamten, der die Zahlung inzwischen zurückerstattet hat. Härke ist mittlerweile im Ruhestand. Ob er und Frank Herbert gegen die Bestrafung Rechtsmittel einlegen werden, ist noch nicht bekannt.
Außerhalb des Gerichts hatte es wegen der Rathausaffäre eine besonders harte »Bestrafung« gegeben: für die SPD, verhängt von Bürgerinnen und Bürgern. Sie verwehrten den Sozialdemokraten, die nach dem Krieg ununterbrochen Hannovers Oberbürgermeister gestellt hatten, das Chefzimmer und wählten den Grünen-Politiker Belit Onay hinein.
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