Die heilige Kuh Abitur

Berlin und Brandenburg halten an Abschlussprüfungen fest und fahren den Unterricht schrittweise wieder hoch

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Auseinandersetzung um die Durchführung der Abschlussprüfungen in Berlin scheint entschieden. Wie der Senat am Donnerstag beschlossen hat, werden die Prüfungen zum Abitur und Mittleren Schulabschluss (MSA) auch in diesem Schuljahr nach fast unverändertem Fahrplan durchgezogen.

Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) sagte zwar bereits vorab im »Inforadio« des RBB zu der in den letzten Tagen immer lauter werdenden Kritik der Schüler- und Schulleiterverbände an den Prüfungsplänen: »Ich kann das nachvollziehen.« Gleichwohl verteidigte sie ihre Haltung mit Verweis auf den am Vorabend gefällten Beschluss der Kultusministerkonferenz, bundesweit alle Prüfungen durchzuführen. Nur eine kleine Veränderung kündigte Scheeres an: Die MSA-Prüfung in Deutsch wird vom 13. Mai auf den 3. Juni verschoben.

Klar ist jetzt auch, wie sich der Senat den schrittweisen Wiedereinstieg in den Unterrichtsbetrieb vorstellt. Demnach werden die Schulen am 27. April zunächst für die 10. Klassen öffnen, am 4. Mai folgen dann die 6. Klassen und die Klassen, die im nächsten Schuljahr ihre Abschlussprüfungen ablegen, also die 11. Klassen an Gymnasien und die 9. und 12. Klassen an den Sekundarschulen.

Auch in Brandenburg sollen die Schulen ab dem 4. Mai allmählich wieder öffnen. Den Anfang werden hier die Abschlussklassen machen und die Klassen, die im kommenden Jahr Prüfungen ablegen sowie die letzten Grundschulklassen, teilte die Landesregierung bereits am Mittwochabend mit. Auch in Brandenburg heißt es mit Blick auf die Abiturprüfungen nach wie vor: Ab kommenden Montag geht es los.

»Das wird kompliziert«, sagt hierzu Tom Erdmann, Berlins Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Erdmann erinnert an den zu erwartenden Mangel an Lehrkräften. Im Sinne des Infektionsschutzes dürften schließlich auch weiterhin nicht alle Lehrer und Erzieher in die Schulen zurückkehren. Zugleich müssten aber die Klassen halbiert werden. »Dementsprechend brauchen wir mehr Personal«, so Erdmann zu »nd«. Während er das angepeilte Wiederhochfahren der Schulen grundsätzlich begrüßt, hält er die Durchführung von Abschlussprüfungen für »widersinnig« - nicht zuletzt, weil sich im Zuge der Schulschließungen die Ungleichheiten im Bildungssystem noch einmal verstärkt hätten.

Massive Kritik kommt von den Schulleiterverbänden. So äußerte der Vorsitzende der Vereinigung der Oberstudiendirektoren des Landes Berlin, Ralf Treptow, im »Inforadio« sein Unverständnis darüber, dass die Bildungsverwaltung an der »heiligen Kuh« Abi-Prüfung festhält.

Der Berliner Landesschülerausschuss (LSA), der am vehementesten für eine Absage aller Prüfungen getrommelt hatte, lädt derweil noch einmal nach. »Dem Regierenden Bürgermeister kann ich nur sagen, es werden Personen erkranken an den Prüfungen und Frau Scheeres wird dafür die Verantwortung tragen müssen«, sagt LSA-Sprecher Miguel Góngora.

Der Schülervertreter gibt sich denn auch mitnichten bereits geschlagen. So ruft er alle Betroffenen auf, »rechtliche Schritte gegen Senatorin Sandra Scheeres einzuleiten«. Der LSA werde »jeden dabei unterstützen, der dies vorsieht«.

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