Trumps Corona-Märchen

Der US-Präsident sorgt durch dubiose Tweets für Verwirrung - Uneinigkeit im Parlament über die Maßnahmen

  • John Dyer, Boston
  • Lesedauer: 4 Min.

US-Präsident Donald Trump versucht sich in Sachen Coronavirus als couragierten Kämpfer gegen die Pandemie zu präsentieren, der alles unter Kontrolle hat. Tatsächlich stiftet er aber Verwirrung. In seinen spontanen Bemerkungen, die gewöhnlich Kritiker beleidigen und Anhänger erfreuen sollen, behauptet er regelmäßig, mehr zu wissen als die meisten Experten. Diese Taktik geht aber nicht auf: Die US-Bürger wollen klare Anweisungen, wie sie die öffentliche Gesundheit schützen können, wie es um ihre Jobs bestellt ist und wie sie mit ihrer Familie umgehen sollen. Aber so etwas fehlt völlig.

Das von Trump in der vergangenen Woche verhängte Einreiseverbot für Europäer ist ein typisches Beispiel dafür. Mitglieder seiner eigenen Regierung, europäische Wirtschaftsvertreter und die Chefs von Fluggesellschaften wurden davon völlig überrascht. Und es gibt Kritik an der Maßnahme: »Die vorübergehende Abschaltung des Reiseverkehrs aus Europa wird die ohnehin schon schweren Auswirkungen des Coronavirus auf die Reisebranche und die 15,7 Millionen Arbeitsplätze, die von dieser abhängen, noch verschärfen«, sagte der Präsident des US-Reiseverbandes, Roger Dow.

Dass Trump twitterte, das Einreiseverbot gelte für Menschen, nicht aber für Waren, stieß wiederum auf Kritik von Gesundheitsexperten: Forscher der National Institutes of Health sagten, das Coronavirus könne auf Pappe, Plastik und Metall einen Tag oder mehr überleben. Trumps Zusicherung, es gebe keine wirtschaftlichen Verluste, ignoriert, dass manche Dienstleistungen darauf angewiesen sind, dass sich Menschen von Angesicht zu Angesicht treffen.

Tom Bossert, ehemaliger innenpolitischer Berater in Trumps Regierung, machte auf ein weiteres Problem aufmerksam: »In zwei Wochen werden wir es bedauern, Zeit und Energie für Reisebeschränkungen zu verschwenden. Wir werden uns wünschen, dass wir uns mehr auf die Vorbereitung von Krankenhäusern und die großangelegte Milderung der Folgen für die Gemeinden konzentriert hätten.«

Trump sagte auch, dass das Material für eine Million Coronavirus-Tests produziert worden sei, für vier Millionen bald zur Verfügung stehe und für weitere hergestellt werde. »Jeder, der einen Test will, kann einen Test bekommen«, sagte er am 6. März. Das stimmt aber bis heute nicht: Laut der Direktorin des Nationalen Zentrums für Immunisierung und Atemwegserkrankungen, Nancy Messonnier, gibt es lediglich 78 öffentliche Laboratorien in den gesamten USA, die pro Tag maximal 75 000 Menschen testen könnten. Laut offiziellen Angaben werden Tests zudem an nicht-öffentliche Labors verschickt, aber auch damit kann weniger als ein halbes Prozent der US-Bevölkerung umfasst werden. Nach Angaben der Gesundheitsbehörde CDC wurden bislang nur etwas mehr als 11 000 Menschen überhaupt auf das Virus getestet - auch weil die vielen Bürger ohne Krankenversicherung sich dies gar nicht leisten könnten. Offiziell waren bis Freitag gut 1100 Menschen in den USA mit dem Coronavirus infiziert, 37 starben. Daher dürfte es eine sehr große Dunkelziffer geben.

Eine weitere falsche Behauptung Trumps war, dass die Gesundheitsbehörden »sehr bald« einen Impfstoff entwickeln würden. US-Experten für Infektionskrankheiten gehen davon aus, dass dies mindestens ein Jahr dauern werde.

Trump hat auch Maßnahmen wie Lohnsteuererleichterungen und Bundeskredite für kleine Unternehmen angekündigt, um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie abzuschwächen. Kritiker bezeichnen diese typisch republikanischen Maßnahmen als unzureichend, da Lohnsteuergeschenke lediglich Arbeitenden nützen und Kredite zurückgezahlt werden müssen.

Die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, hat dagegen einen Gesetzentwurf eingereicht, der kostenlose Coronaviren-Tests, Zuschüsse zur Arbeitslosenversicherung, bezahlte Freistellung für Arbeitnehmer, die wegen der Krankheit nicht an ihren Arbeitsplatz gehen können, und die Finanzierung von Mahlzeiten für auf kostenloses Mittagessen in der Schule angewiesene Kinder vorsieht. »Dieses Essen wurde bereits bezahlt und zugeteilt«, sagte Pelosi. »Es geht nur darum, es zu den Kindern zu bringen.«

Die Republikaner erklärten hingegen, sie würden dem Gesetzentwurf trotz der Notwendigkeit einer schnellen Reaktion nicht zustimmen; schon gar nicht im geplanten Eilverfahren. Die Vorschläge seien ausschließlich von Pelosis Mitarbeitern erarbeitet worden, sagte der Fraktionschef der Republikaner, Kevin McCarthy.

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