Strieder als Stolperstein beim Wahlmarathon

Scharfe Debatte und Unterbrechungen bei Wahl des rot-roten Senats

Klaus Wowereit wurde gestern im Amt des Regierenden Bürgermeisters von Berlin bestätigt. Der SPD-Politiker führt damit erstmals einen Koalitions-Senat aus SPD und PDS. Karin Schubert (SPD) wurde zur Justizsenatorin, Gregor Gysi (PDS) zum Wirtschaftssenator gewählt.

Berlin (ND-Kammer/Agenturen). Als Stolperstein erwies sich gestern bei der Wahl des Senats durch das Abgeordnetenhaus SPD-Landeschef und Stadtentwicklungssenator Peter Strieder. Er fiel mit 68 gegen 70 Stimmen bei zwei Enthaltungen am späten Abend durch. Daraufhin beantragten die Sozialdemokraten eine Unterbrechung der Sitzung, die bei Redaktionsschluss noch andauerte. Zuvor brachte es Klaus Wowereit auf 74 von 140 Stimmen. Zwei Abgeordnete aus dem eigenen Lager, das über insgesamt 77 Mandate verfügt, verweigerten ihre Zustimmung. Eine SPD-Abgeordnete war nicht anwesend. Karin Schubert, bisher Justizministerin in Sachsen-Anhalt, übernimmt dieses Ressort nun in Berlin. Sie wurde zudem zur Bürgermeisterin gewählt. Knapp wurde es für Gregor Gysi. Er wurde mit lediglich 70 Stimmen zum Vize-Regierungschef und Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen gewählt. 67 Abgeordnete sprachen sich gegen ihn aus, drei enthielten sich. In seiner Vorstellungsrede hatte Gysi noch einmal betont, niemals mit der Staatssicherheit zusammengearbeitet zu haben. Gewählt wurden weiterhin Klaus Böger (SPD) als Bildungssenator und Heidi Knake-Werner (PDS) als Senatorin für Gesundheit und Soziales. Vor weiteren Wahlgängen wurde die Sitzung unterbrochen, weil der Vorwurf erhoben worden war, dass bei der Stimmabgabe für Thilo Sarrazin (SPD) als Finanzsenator PDS-Fraktionschef Harald Wolf zwei Umschläge in die Wahlurne geworfen habe. Der wies das empört zurück, doch kam es zu einer Wiederholung. Dabei verbesserte Sarrazin sein Ergebnis sogar. Offen war bei Redaktionsschluss noch die Wahl von Thomas Flierl (PDS) zum Senator für Wissenschaft, Forschung und Kultur. PDS-Chefin Gabi Zimmer erklärte, sie sehe die Senatskoalition mit der SPD in Berlin als Bewährungsprobe für ihre Partei. Mit der Koalition verbinde sich für viele Menschen die Hoffnung, dass SPD und PDS über das Trennende in der Geschichte hinweg kooperieren könnten. Erwartungsgemäß war es angesichts der historischen Dimension des Tages im Parlament vor der Wahl zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen den neuen Regierungs- und Oppositionsfraktionen gekommen. CDU und FDP warfen den Sozialdemokraten Geschichtsvergessenheit vor. Parlaments-Vizepräsident Christoph Stölzl (CDU) kritisierte, die Sozialdemokratie öffne den Kommunisten die Türen zur Macht in Deutschland. Mit der PDS komme eine Partei an die Macht, die bis 1989 »Bollwerk der Unfreiheit« gewesen sei. FDP-Landes- und Fraktionschef Günter Rexrodt betonte, die PDS stehe in »unmittelbarer Kontinuität« zur SED, die in der DDR für Menschenrechtsverletzungen und Mauertote verantwortlich gewesen sei. Grünen-Fraktionschefin Sibyll Klotz verwies hingegen darauf, dass es wegen Rot-Rot keinen Aufschrei in der Stadt gegeben habe. SPD-Fraktionschef Michael Müller betonte, er sehe der Arbeit des rot-roten Senats mit Optimismus entgegen und erwarte einen »Ruck« nach vorn in der Stadt. Die Koalition müsse sparen, damit die Stadt ihre »Strahlkraft und Dynamik« behalte und um das soziale Netz zu sichern. PDS-Fraktionschef Harald Wolf bekräftigte, seine Partei habe mit der SED-Vergangenheit »unwiderruflich« gebrochen, und die PDS werde »im täglichen Handeln den Nachweis erbringen«, dass sie ihre »Lektion aus der Geschichte gelernt hat«. CDU/CSU-Bundestagsfraktionschef Friedrich Merz hat die rot-rote Koalition...

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