Hohe Miete bedroht St. Pauli Museum

Seit 1988 informiert das Hamburger Haus über die Geschichte des bekannten Stadtteils

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

In großen blauen Leuchtlettern kennzeichnet das Wort »Polizei« auf der Hamburger Reeperbahn den Standort der weit über die Hansestadt hinaus bekannten Davidwache. Wer dort von der breiten Amüsiermeile abbiegt in die Davidstraße, kommt an einer nicht minder bekannten Fußgängerzone vorbei, an der Herbertstraße. Der Blick hinein zu den Häusern, in denen Sexarbeiterinnen ihre Dienste anbieten, ist versperrt, durch Sichtblenden. Auf wessen Geheiß und wann sie aus welchem Grund vor etlichen Jahrzehnten errichtet wurden, ist ein paar Schritte weiter zu erfahren: im St. Pauli Museum. Ihm droht das Aus am vertrauten Standort. Kann sein Trägerverein doch die erhöhte Miete für die mitten im Kiez gelegenen Räume nicht aufbringen. Die Hauseigentümer verlangen künftig 6300 Euro monatlich, teilten die Museumsmacher am Samstag mit.

Der bekannte Fotograf Günter Zint hatte das Museum 1988 gegründet. Es informiert in zahlreichen Bildern und Exponaten über die Geschichte eines einzigartigen Stadtteils, der weitaus mehr ist als das Rotlichtmilieu, mit dem er oft in Verbindung gebracht wird. Es fehlt durchaus nicht in der Präsentation. So erfahren die Besucherinnen und Besucher beispielsweise einiges über »Nutella« - das auf dem Kiez eine Zeit lang nicht mit dem nussigen Brotaufstrich in Verbindung gebracht wurde, sondern Name einer Zuhälter-Bande war. Aber wer weiß schon, dass ein christliches Kloster am Beginn der St. Pauli-Historie stand? Auch dies ist Thema im Museum, das den Werdegang eines weltweit bekannten Stücks Hamburg vom Mittelalter bis in die Gegenwart beleuchtet.

Zu aktuellen Entwicklungen finden Sonderausstellungen im Haus an der Davidstraße statt, historistische Ausstellungsstücke, Videos, originale Kostüme berühmter Travestiekünstler, Infos zur »Wiege« der Beatles, dem Hamburger »Star-Club« in der von der Reeperbahn abzweigenden »Großen Freiheit«: All das ist zu finden im Museum, das nach derzeitigem Stand der Dinge zum 31. März die Davidstraße verlassen muss. Den Mietvertrag hat der Trägerverein bereits gekündigt.

Sein Museum finanziert sich ausschließlich aus Eintrittsgeldern und Spenden sowie Kooperationen, unter anderem mit der Travestiekünstlerin Olivia Jones und dem Hamburger Panoptikum. Auch Lesungen und Konzerte auf der hauseigenen Bühne sind wirtschaftliche Stützen des Museums. Und wenn auch schon nach einem neuen Standort gesucht wird, so möchte es doch nur ungern umziehen. Denn, so gibt Eva Decker vom Vereinsvorstand zu bedenken: »Das Haus liegt mitten in einem Quartier, das nicht nur für Glanz, Glamour und Rotlicht steht, sondern auch für Obdachlosigkeit und Armut, für Widerstand und Lebensraum«. Die Menschen, die sich für das Museum engagieren, verstünden ihre Arbeit »als Beitrag zur Aufarbeitung und Sichtbarmachung der vielen Identitäten des Stadtteils«, sagt Decker. Erfahrbar werde das zum Beispiel durch gemeinsame Aktionen mit der Antikältehilfe für Obdachlose.

Auf Hilfe für das Museum hofft indes Gründer Günther Zint. Er hat sich schriftlich an Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD) gewandt. In den 32 Jahren seines Bestehens habe das Haus einige Millionen Besucher gehabt, zitiert die Hamburger Monatspost aus dem Brief, in dem Zint unterstreicht: Niemand auf St. Pauli könne sich vorstellen, das diese Institution verschwindet.

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