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Völkerverständigung von unten
75 Jahre nach dem Kriegsende planen Friedensradler eine Fahrt von Paris bis Hiroshima
Weil sie ihre Botschaft und Sehnsucht nach »Frieden auf Erden« in alle Welt tragen und Völkerverständigung von unten aufbauen wollen, planen Friedensaktivisten des Vereins »Bike for Peace and New Energies« für das kommende Sommerhalbjahr eine drei Monate lange Friedensradfahrt. Es geht quer durch den Kontinent von Paris über Moskau bis nach Hiroshima und Nagasaki. Damit soll vor allem auch an den 75. Jahrestag von Kriegsende und Befreiung vom Faschismus sowie den US-amerikanischen Atombombenabwurf über den japanischen Städten Hiroshima und Nagasaki am 6. und 9. August 1945 erinnert werden.
Nach Stand der Planung soll der Konvoi am 7. Mai 2020 in der französischen Hauptstadt Paris aufbrechen und über Nordfrankreich, Luxemburg, Deutschland, Polen und Belarus nach Moskau führen. Von dort erfolgt die Weiterfahrt in der Transsibirischen Eisenbahn zum Pazifik mit Zwischenstopp am Baikalsee. Per Schiff werden die Aktivisten Anfang August Japan erreichen und dort an Gedenkveranstaltungen in Hiroshima und Nagasaki teilnehmen.
Die von dem Friedensaktivisten Konrad Schmidt aus Kaiserslautern mit initiierte Fahrt setzt gezielt auf den Sport als Möglichkeit der friedlichen Begegnung von Menschen aus Ost und West. Entlang der Route sind Veranstaltungen, Kundgebungen, Gespräche und Begegnungen geplant. Zu den deutschen Etappenzielen gehören nach Stand der Planungen neben der Bundeshauptstadt Berlin auch US-Militärbasen wie Büchel (Rheinland-Pfalz), die für die Logistik moderner Kriege im Nahen und Mittleren Osten eine wichtige Rolle spielen. Kommunalpolitiker entlang der Route sollen dazu aufgefordert werden, sich der internationalen Organisation »Mayors for Peace« (Bürgermeister für den Frieden) anzuschließen. Dieses 1982 auf Initiative des damaligen Bürgermeisters von Hiroshima gegründete Netzwerk setzt sich für Frieden, Abrüstung und die vollständige Abschaffung von Atomwaffen ein.
Unterkunft der Teilnehmer ist in Turnhallen und Pensionen vorgesehen. Ein Wohnmobil mit Küchenanhänger begleitet die Radler und sorgt für ihre Verpflegung. Die Idee der Friedensradfahrt lehnt sich auch an die über 40-jährige Tradition der Friedensfahrten von Prag über Warschau nach Berlin an. Zwischen 2006 und 2010 hatte der Verein fünfmal eine Friedensradfahrt von Paris bis Moskau durchgeführt. Angesichts der hereinbrechenden Klimakatastrophe soll die Tour neben dem Streben nach Frieden und Abrüstung auch für »erneuerbare Energien statt Kriege um Öl« werben und ein Zeichen für den Umweltschutz auf allen Ebenen setzen. »Friedenspolitik ist Klimapolitik«, heißt es in einem Aufruf. »Die meisten Kriege auf der Welt werden um Wasser oder Rohstoffe geführt.«
Für das langjährige Vereinsmitglied Klaus B. ist die Völkerverständigung eine sehr praktische und konkrete Frage. »Du kannst noch so viele Infostände organisieren, aber die Friedensarbeit wird erst dann konkret, wenn du an anderen Orten die Menschen persönlich kennenlernst«, so der Aktivist. »Dann ist es unmöglich, ein Feindbild aufzubauen, weil es sich um Menschen handelt, mit denen man befreundet ist.« Der Friedensradler Helmut F. hat nie vergessen, dass sein Vater als junger Mann am Angriffskrieg auf die Sowjetunion teilnahm und fünf Jahre in sowjetischer Kriegsgefangenschaft verbrachte. »Mit dem Rad nach Moskau zu fahren, ist für mich ein besonderes Zeichen der Versöhnung und Annäherung«, so seine Motivation.
Einer von rund 70 Teilnehmern, die über die gesamte Strecke von Paris nach Nagasaki dabei sein wollen, ist Peter Kraus aus dem hessischen Groß-Gerau. Der gegen seinen Willen wegen Depression früh pensionierte Religionslehrer ist in seinem Leben schon viele Tausend Kilometer durch die Welt geradelt. Besonders im Gedächtnis haften geblieben ist ihm eine Pilgerreise im Jahre 2000 von Augsburg nach Jerusalem. Die Strecke führte auch durch Syrien. »Dort lernte ich eine im regionalen Vergleich moderne, tolerante und sozial sehr fortschrittliche Nation kennen«, erinnert sich Kraus. »Heute liegt das Land in Trümmern. Die Menschen sind traumatisiert. Fremde Mächte haben den Hass angeheizt und den Krieg über viele Jahre möglich gemacht.«
Dies ist für ihn eine Mahnung, zumal »unsere Regierung Syrien und damit den Wiederaufbau des geschundenen Landes boykottiert«. »Was heute in Ländern wie Syrien geschieht, nämlich ein desaströser Krieg, kann morgen auch Europa ins größte Elend führen«, gibt Kraus zu bedenken. Bei seinen zahlreichen Radtouren ging es ihm stets um das Gespräch mit den Menschen, die er entlang der Strecke traf. »In der Ukraine entdeckte ich bei Gesprächen, dass die jungen und älteren Menschen vielfältiger denken, als es unsere Schwarz-Weiß-Schablonen aus den Leitmedien vermuten lassen«, bringt es Kraus auf den Punkt.
Interessierte können auf beliebig langen Abschnitten teilnehmen. Für alle Reiseabschnitte mit Visumspflicht ist der 31. Dezember 2019 erster Anmeldeschluss. Die Anmeldeunterlagen sowie Informationen zum Etappenplan können per E-Mail unter anmelden@bikeforpeace.net angefragt werden. Weitere Informationen finden sich auf der Website www.bikeforpeace.net.
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