Der Kaiser war einst spendabler als die Republik heute

Gewerkschaft ver.di ruft zu einem Warnstreik in den Museen der Schlösserstiftung - es geht um Weihnachtsgeld und den Tariflohn der Länder

Am 24. Dezember pflegte Kaiser Wilhelm II. jeweils gegen 13 Uhr das Potsdamer Neue Palais zu einem Spaziergang zu verlassen. Begegneten ihm unterwegs Posten, so sprach er die Soldaten an und schenkte ihnen zu Weihnachten ein 20-Mark-Stück. Das war keine Kleinigkeit, betrug doch der durchschnittliche Monatslohn eines Arbeiters im Jahr 1895 ganze 56 Mark.

Heutzutage müssen die Beschäftigten im Besucherservice des Schlossmuseums ohne ein Weihnachtsgeld auskommen. Nicht allein darum, aber durchaus auch deswegen hat die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di zu einem Warnstreik aufgerufen. Am zweiten Weihnachtsfeiertag sollen Schlossführer, Kassiererinnen und das Aufsichtspersonal von 9.30 bis 11.30 Uhr die Arbeit niederlegen und vor dem Neuen Palais sowie vor dem Berliner Schloss Charlottenburg dafür demonstrieren, künftig nach dem Tarif für den öffentlichen Dienst der Länder entlohnt zu werden. Gegenwärtig werden die 150 Betroffenen nach dem Branchentarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe bezahlt. Die Differenz liege bei etwa 20 Prozent, sagt Gewerkschaftssekretärin Andrea Germanus. Außerdem gibt es weniger Urlaub und kein Weihnachtsgeld.

Um den höheren Tarif nicht zahlen zu müssen, hatte die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG) im Jahr 2006 das Servicepersonal in die eigens gegründete Tochterfirma Fridericus Servicegesellschaft (FSG) ausgegliedert. In der laufenden Saison sind dort insgesamt 612 Mitarbeiter beschäftigt gewesen.

»Aus Sicht der SPSG hat sich das Modell der FSG in den vergangenen Jahren bewährt, so dass es keinen Anlass gibt, daran etwas zu ändern«, findet Stiftungssprecher Frank Kallensee. Die Anwendung des Tarifs der Länder würde die Leistungsfähigkeit der Tochterfirma übersteigen, heißt es. Auch übersehe die Gewerkschaft, dass bereits mit dem Betriebsrat verhandelt werde. Kallensee weist darauf hin, dass es übertarifliche Zulagen gibt. Das bestätigt Gewerkschaftssekretärin Germanus. 10,10 Euro die Stunde werden demnach gegenwärtig als Grundlohn gezahlt, ab 1. Januar werden es 10,70 Euro sein. Nur mit den Zulagen komme man auf 12 bis 13 Euro.

Damit liegen die Mitarbeiter unterhalb des Berliner Vergabemindestlohns von 12,50 Euro die Stunde. In Brandenburg soll die Anhebung des Vergabemindestlohns auf 12,50 Euro geprüft werden. So viel müssten Firmen ihren Mitarbeitern dann wenigstens bezahlen, wenn sie Aufträge der öffentlichen Hand wollen. Fridericus fällt allerdings, obwohl 100-prozentige Tochter einer vom Staat finanzierten Stiftung, nicht unter die Vergabegesetze der beiden Länder.

Die dadurch entstandene Situation nennt Brandenburgs Linksfraktionschef Sebastian Walter absurd. »Wenn wir das zulassen, organisieren wir als Land mit einen Niedriglohnsektor«, sagt er. »Darüber müssen wir im Landtag sprechen. Langfristig muss es darum gehen, Fridericus wieder in die Schlösserstiftung zurückzuführen und den Beschäftigten den Tarif der Länder zu gönnen.« Das würde Mehrkosten von schätzungsweise zwei Millionen Euro im Jahr verursachen. Dafür müsste dann voraussichtlich der Staat aufkommen.

Die Gewerkschaft geht davon aus, »dass der Geschäftsbetrieb insbesondere im Neuen Palais und im Schloss Charlottenburg durch den Streik stark beeinträchtigt wird«. Die Stiftung erwartet, dass die Schlösser Neues Palais, Cecilienhof und Charlottenburg »in dieser Zeit nur eingeschränkt oder gar nicht besucht werden können«. Die Gärten, die Museumsshops und die Gastronomie seien hingegen ohne Einschränkungen zugänglich.

Derweil zahlt Fridericus aus besonderem Anlass ein verkapptes Weihnachtsgeld. Servicemitarbeitern, die sich am 26. Dezember als Streikbrecher zur Verfügung stellen, werde eine Prämie von 100 Euro versprochen, informiert ver.di.

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