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Weiblich statt allein westlich
Julia Schmidt und Alexandra Pichl sind neue Landesvorsitzende der Grünen in Brandenburg
Das Ahorn-Seehotel Templin (Uckermark) ist wunderschön am Lübbesee gelegen. Es ist eine herrliche Anlage mit tollen Freizeitmöglichkeiten, aber auch ein Plattenbau mit unübersehbarem Ostcharme. Der Hochhauskomplex eröffnete 1984 als FDGB-Ferienheim »Friedrich Engels«. Das prägt dieses Hotel noch deutlich.
Ausgerechnet hier wählten die brandenburgischen Grünen am Sonnabend ihren Landesvorstand mit zwei neuen Landesvorsitzenden - und das waren beinahe gleich zwei Westdeutsche: der 57-jährige gebürtige Westberliner Gerhard Kalinka und die erst 26-jährige Julia Schmidt, die aus dem rheinland-pfälzischen Bad Dürkheim stammt. Die Grünen haben bereits keinen ihrer Minister- und Staatssekretärsposten in der neuen rot-schwarz-grünen Landesregierung mit einem Ostdeutschen besetzt. Nun also auch noch den Landesvorsitz ohne ostdeutsche Beteiligung?
Zum Glück kandidierte auch noch die 41-jährige Alexandra Pichl, die in Mecklenburg-Vorpommern geboren und im brandenburgischen Kleinmachnow aufgewachsen ist. Zwar schlug Julia Schmidt zunächst mit 65 zu 27 Stimmen Alexandra Pichl. Doch die Unterlegene trat dann noch einmal gegen Gerhard Kalinka an und besiegte diesen knapp und auch erst in einem zweiten Wahlgang mit 51 zu 46 Stimmen. Im ersten Wahlgang hatte Pichl mit 48 zu 46 Stimmen noch das Quorum verfehlt.
Als das Endergebnis amtlich war, jubelten weibliche Delegierte, weil der Landesverband nun eine weibliche Doppelspitze hat. Eine Frau freute sich überschwänglich, dies sei einmalig. Aber da irrte sie. Denn Brandenburgs LINKE hat mit Diana Golze und Anja Mayer bereits seit März 2018 eine weibliche Doppelspitze.
Bei den bisherigen Grünen-Landeschefs war Petra Budke aus dem Westen und Clemens Rostock aus dem Osten. Beide sind bei der Landtagswahl am 1. September 2019 ins Parlament eingezogen und gaben deshalb ihre Parteifunktion ab. So ist es üblich bei den brandenburgischen Grünen: wer Abgeordneter wird, zieht sich als Parteichef zurück. Die Landesvorsitzenden sind bei den Grünen in der Regel hauptamtlich. Sie werden nach Tarifstufe E 13 und damit nicht schlecht aber auch nicht üppig bezahlt, denn sie erhalten nur 70 Prozent der Summe.
Wichtiger ist, dass der Posten ein Sprungbrett sein kann. Ska Keller war einmal Landesvorsitzende in Brandenburg und ist nun Fraktionschefin der Grünen im Europaparlament. Auch Annalena Baerbock war einmal Landesvorsitzende und ist jetzt Bundestagsabgeordnete und Bundesvorsitzende. Die schon genannte Petra Budke ist gerade Fraktionschefin im Landtag geworden. Axel Vogel war auch einmal Landesvorsitzender und ist jetzt brandenburgischer Umweltminister.
Bis dahin war es ein langer Weg. Bei der Landtagswahl 1999 hatten die Grünen bescheidene 1,9 Prozent erzielt, nun waren es 10,8 Prozent, erinnerte der am Ende gescheiterte Gerhard Kalinka in seiner Bewerbungsrede. »Endlich raus aus der Opposition«, freute er sich. So wie Kalinka sind die Grünen insgesamt begeistert wegen ihrer Erfolge und neuen Möglichkeiten. »Und das ist erst der Anfang«, stand am Rednerpult.
An diesem Pult stand auch Templins Bürgermeister Detlef Tabbert (LINKE). Er nutzte seine Begrüßungsansprache für einen Werbeblock. »Ich freue mich, dass sie ihren Parteitag in einer der schönsten Städte Brandenburgs abhalten«, sagte er. Nur 16 078 Einwohner zählt Templin, erstreckt sich aber durch die Eingemeindung selbst noch ziemlich entfernt liegender Dörfer über 380 Quadratkilometer. Tabbert illustrierte die Ausdehnung: »München passt rein, und dann sind noch 20 Prozent Luft.« 60 Prozent des Stadtgebiets von Templin seien von Wald bedeckt. Der Bürgermeister schenkte Carla Kniestedt einen grünen Regenschirm und gratulierte der Journalistin, dass sie gerade für die Ökopartei als Abgeordnete der Region in den Landtag nachrückte.
Dass die Grünen sich im Saal »Uckermark« des Seehotels trafen, ist dem Aufschwung geschuldet, den sie zuletzt erlebten. Der Parteitag sollte ursprünglich im Multikulturellen Centrum von Templin abgehalten werden. Doch da reichte der Platz nicht mehr aus, weil jetzt mehr Gäste und Journalisten kommen als früher.
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