SPD polarisiert mit U-Bahn-Wünschen

Finanzen und Fachkräftemangel bremsen Euphorie

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 2 Min.

»Wenn Berlin wächst, muss auch die Schiene mitwachsen«, sagt Tino Schopf, Verkehrsexperte der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus am Mittwochabend. In ebenjenes hatten die Sozialdemokraten zum verkehrspolitischen Dialog geladen. Neidisch blickt Schopf nach Hamburg, lobt den »großen Konsens«, mit dem dort nun die U-Bahn ausgebaut werde. Mehrere Projekte sind in der Hansestadt im Werden, Baubeginn für eine Verlängerung der U4 soll noch dieses Jahr sein, in zwei Jahren soll auch der Bau einer zusätzlichen U-Bahnlinie 5 starten.

Dazu muss man wissen, dass dieser Konsens erst herrscht, seitdem die Wiedereinführung der Straßenbahn in Hamburg 2010 abgeblasen wurde. Der spätere Erste Bürgermeister und heutige Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte den Bau der Straßenbahn seinerzeit im Wahlkampf kategorisch abgelehnt. »Wir hatten die Straßenbahn 2010 schon in der Planfeststellung, da ist richtig Geld in zweistelliger Millionenhöhe für nichts aufgewendet worden«, berichtet Michael Heidrich, Verkehrsplaner der Hamburger Hochbahn, der nun den U-Bahnbau voranbringt.

Dementsprechend groß ist im Saal auch das Misstrauen, ob die U-Bahnträume der SPD nicht zulasten des sowieso schleppenden Ausbaus der Straßenbahn gehen. Die Fraktion will die U2 nach Pankow-Kirche, die U3 zum Mexikoplatz und die U8 ins Märkische Viertel verlängern. 20 Millionen Euro Planungsmittel will sie dafür im Doppelhaushalt 2020/2021 unterbringen.

Die Koalitionspartner LINKE und Grüne lehnen das ab. »Man kann vieles wollen«, kommentiert der verkehrspolitische Sprecher der Linksfraktion, Harald Wolf auf nd-Anfrage trocken. »Das Geld wächst nicht auf den Bäumen, und die planerischen Kapazitäten fehlen auch«, so Wolf weiter. Zumal beim U-Bahnbau, der pro Kilometer etwa zehnmal so viel kostet wie eine neue Straßenbahnstrecke, auch die Relation von Kosten und verkehrlichem Nutzen beachtet werden müsse.

»Wenn ich feststelle, dass ich mit dem Straßenbahnausbau viel mehr Leute in den Umweltverbund hereinholen kann als mit drei U-Bahnstummeln, dann muss ich doch die Mittel darauf konzentrieren«, fordert Uwe Hiksch von den Naturfreunden Berlin. Auch Vertreter des Berliner Fahrgastverbands IGEB sowie des Deutschen Bahnkundenverbands äußern Sorge, dass die Tram unter die Räder kommt.

Tino Schopf spricht selbst den hohen Investitionsbedarf für das Bestandsnetz der U-Bahn an. Bis 2035 müssen laut Nahverkehrsplan über 1,7 Milliarden in die Sanierung gesteckt werden. Auch dafür werden Kapazitäten der viel zu wenigen Planer gebraucht. »Wenn man weiß, wie wenig Ingenieure im schienengebundenen Verkehr jährlich ausgebildet werden, braucht man sich nicht wundern, dass diese Ebene fast vollständig weggebrochen ist«, sagt Horst Mentz, ehemaliger Leiter Verkehrsplanung in München.

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