- Kommentare
- Kiezkneipe Syndikat
Der Tod der Nachbarschaft
Marie Frank fordert besseren Schutz für das Gewerbe
Warum macht man in Berlin so viel Wind um eine Kneipe, deren Mietvertrag ausläuft? Mag man sich andernorts fragen. Für Außenstehende vielleicht unverständlich, für die Bewohner*innen der Hauptstadt liegt die Antwort klar auf der Hand: Es geht um die Verteidigung der letzten verbliebenen Rückzugsräume, um Widerstand gegen die allgegenwärtige Verdrängung von Kiezstrukturen und die zunehmende Touristifizierung der Innenstadt. Am Dienstag vor dem Landgericht ging es also um sehr viel mehr als nur das Syndikat, es ging auch um die grundlegende Frage: Wem gehört die Stadt?
Dass diese nicht einfach widerstandslos geldgierigen Investoren überlassen werden darf, die den nächsten seelenlosen aber profitablen Co-Working-Space errichten, ist mittlerweile bei den meisten Menschen angekommen. Das zeigt die Zustimmung zum Mietendeckel und zu Enteignungen deutlich. Doch der Ausverkauf der Stadt betrifft nicht nur die eigenen vier Wände. Nicht nur jahrzehntelang gewachsene Projekte wie die Kiezkneipe Syndikat, das Hausprojekt Liebig34 oder die Jugendzentren Potse und Drugstore sind bedroht, es werden gleich ganze Nachbarschaften totgentrifiziert. Denn die Verdrängung von Gewerbe betrifft auch die Kita um die Ecke, den Boxverein im Kiez und den Gemüseladen die Straße runter.
Es ist daher höchste Zeit, dass neben dem Schutz von Wohnraum, der mit dem Mietendeckel und dem Enteignungs-Volksbegehren endlich angegangen wird, auch Gewerbetreibende vor Verdrängung geschützt werden. Diese sind den Investoren schutzlos ausgeliefert, die nicht selten einfach mal die Miete verdoppeln und diejenigen, die sich das nicht leisten können, kurzerhand rauswerfen. Denn das nächste zahlungskräftige Start-up steht schon bereit. Wenn die gewachsenen Kiezstrukturen nicht endlich durch ähnliche Gesetze wie den Mietendeckel geschützt werden, wird es in Berlin bald gar keine Nachbarschaft mehr geben.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.