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Schnappatmung vor iranischem Besuch

Christian Klemm über den Besuch des Teheraner Bürgermeisters Pirouz Hanachi in Berlin

Der Bürgermeister aus Teheran, Pirouz Hanachi, ist am Freitag in Berlin zu Gast - und nicht wenige kriegen Schnappatmung. Vor allem die iranische Herkunft des Gastes missfällt ihnen. Für sie sind Politiker aus diesem Staat per se antisemitisch, homophob und frauenfeindlich. Ob diese Attribute auf den Gast zutreffen, ist jedoch unklar. Denn Hanachi wird dem Lager der Reformer in Iran zugerechnet. Zwar war er einst ein Revolutionsgardist. Allerdings soll er bisher nicht mit antisemitschen Ausfällen in Erscheinung getreten sein.

Dennoch haben sich eine Reihe von Politikern auf Hanachi eingeschossen. Bevor er dem Regierenden Bürgermeister von Berlin Michael Müller die Hand geschüttelt hat, teilt Hanno Bachmann, »Terrorismusexperte« der AfD in Berlin, mit: »Es ist leider nicht das erste Mal, dass Müller im Umgang mit Antisemiten politische und historische Sensibilität vermissen lässt.« Auch dem Fraktionsvorsitzende der CDU im Abgeordnetenhaus, Burkard Dregger, schmeckt das Treffen im Roten Rathaus nicht: Müller sei der »Bürgermeister der liberalsten, weltoffensten Stadt der ganzen Welt«. Und wenn er »jemanden mit zweifelhaftem Hintergrund empfängt, wertet er ihn auf«. Der Grünen-Politiker Volker Beck übte ebenfalls Kritik an dem Besuch. Selbst der US-Botschafter in Berlin schaltete sich ein: Hanachi »sollte auf der Sanktionsliste der USA und EU stehen, nicht auf Berlins VIP-Liste«, teilte Richard Grenell mit.

Natürlich haben Minderheiten in Iran nicht die gleichen Rechte wie in Deutschland. Die »Ehe für alle« ist dort undenktbar. Frauen müssen außerhalb der eigenen vier Wände ein Kopftuch tragen, sonst gibt es Ärger mit der Religionspolizei. Und sicherlich werden Juden dort massenhaft mit negativen Vorurteilen belegt, schließlich trägt ihnen die iranische Propaganda gebetsmühlenartig vor, dass Israel der Erzfeind aller Muslime sei. Trotzdem ist die harsche Kritik an dem Hanachi-Besuch scheinheilig. Denn bei Gästen aus westlichen Staaten gibt es vergleichsweise wenig Aufregung - und das, obwohl sie ebenfalls einiges auf dem Kerbholz haben.

Barack Obama hat die Bundesrepublik sechs Mal besucht - so oft wie kein anderer US-Präsident zuvor. Er wurde jedes Mal mit offenen Armen empfangen. Dabei hat dieser Mann Drohneneinsätze der US-Streitkräfte maßgeblich vorangetrieben. Abertausende Tote und Verstümmelte in Afrika und dem Mittleren Osten gehen auf sein Konto. Die Aufregung in den Medien blieb vor seinen Abstechern nach Deutschland verhältnismäßig überschaubar.

Ähnlich ist es bei anderen Staatsgästen. Ob aus Frankreich, Großbritannien oder Israel - ihre Regierungen haben durch Krieg im Ausland und Repression im Inland für Unheil gesorgt. Wahrscheinlich sogar mehr als ihr iranischer Kollege Hassan Ruhani es getan hat. Der Teheraner Bürgermeister ist nur ein kleines Licht. Die Empörung in den sozialen Netzwerken wegen ihm ist dennoch größer.

Wenn es also Vorraussetzung ist, dass Gäste aus dem Ausland eine »weiße Weste« haben müssen, kann in Zukunft beinahe niemand mehr den Bundestag besuchen. Und auch im Roten Rathaus herrscht dann gähnende Leere.

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