35.000 Brillen und eine Klage

Was die Extrapolizei an Bayerns Grenze im ersten Jahr gebracht hat

  • Rudolf Stumberger
  • Lesedauer: 2 Min.

15 Personen wurden an der Grenze zu Österreich zurückgewiesen. Das ist die Bilanz nach einem Jahr Sonderweg in Bayern. Das CSU-geführte Bundesland hatte am 1. Juli 2018 eine eigene Grenzpolizei eingeführt. Damit sollte »unkontrollierte Zuwanderung« gestoppt werden. »Die Idee hat sich bewährt«, konstatierte am Freitag Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bei in München und Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erklärte, er habe »keinen Zweifel an der Zulässigkeit« der neuen Polizeitruppe. Derweil läuft vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof eine Klage der Grünen gegen diese Polizei.

Die Einrichtung der Behörde war Teil der CSU-Mobilmachung gegen die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und zielte vor allem auf die Rückgewinnung von Wählern am rechten Rand. Damit installierte das bayerische Innenministerium eine Parallelbehörde zur Bundespolizei. Die Grenzpolizei verstoße aber gegen die bayerische Verfassung und gegen das Grundgesetz, begründen die Grünen ihre Klage. Denn die neu aufgestellte Truppe untergrabe mit den ihr parallel zur Bundespolizei zugewiesenen Aufgaben und Befugnissen die föderale Kompetenzverteilung im Bereich des Grenzschutzes. Durch die Truppe sei die grundgesetzliche Ordnung der Kompetenzen von Bund und Ländern sowie das Rechtsstaatsprinzip verletzt. Der Freistaat Bayern darf kein materielles Grenzschutzrecht schaffen. Das hat zuletzt auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum bayerischen KFZ-Kennzeichen-Scanning vom 18. Dezember 2018 festgestellt: Im Bereich des Grenzschutzes liegt die ausschließliche Gesetzeskompetenz beim Bund.

Die Klage der Grünen sei ein »Misstrauensantrag« und ein Fehler, findet Ministerpräsident Söder, der sagte, es gebe »kein Kompetenzgerangel« zwischen Bayerischer Grenzpolizei und Bundespolizei. Fakt ist, dass die bayerischen Kollegen der Bundespolizei an der Grenze nur zuarbeiten dürfen. So hat die bayerische Truppe im Zuge von unmittelbaren Grenzkontrollen innerhalb eines Jahres 34 Personen festgesetzt, die dann an die Bundespolizei übergeben werden mussten. Von diesen 34 Personen wurden 15 wieder zurückgewiesen.

Die zusätzlichen Beamten sind besonders aktiv bei der Schleierfahndung hinter der Grenze, die schon seit 20 Jahren praktiziert wird und für die es keiner eigenen Einheit bedurft hätte. In diesen Kontext fallen auch die Ergebnisse, die Alois Mannichl, Chef der Bayerischen Grenzpolizei, als »herausragende Fahndungserfolge« bezeichnete. So seien bei Passau 5,6 Kilo Gold in Barren und Münzen sowie in einem anderen Fall 4,2 Kilogramm Kokain sichergestellt worden. In Zwiesel habe man eine polnische Tätergruppe gestellt und wiederum in Passau 35 000 Brillengestelle sichergestellt. In Zahlen zeigt die Bilanz 26 000 festgestellte Straftaten, Verkehrsdelikte und Fahndungstreffer in einem Jahr.

Derzeit besteht die Truppe aus 600 Beamten und soll bis 2023 auf 1000 Grenzfahnder aufgestockt werden. Auch technisch wird noch aufgerüstet: Drohnen mit Wärmebildkameras sollen selbst in entlegensten Gebieten die Suche nach Personen ermöglichen.

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