- Aus dem Netz gefischt
- Walter Lübcke
Auf Linke hören
Antifaschistsche Recherche- und Redaktionskollektive machen seit vielen Jahren wichtige Arbeit
Brandanschläge, Amokfahrten, Messerattacken: Deutschland hat ein Problem mit rechtem Terror. Das sollte nicht erst seit dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke bekannt sein. Eigentlich.
Im Interview mit deutschlandfunk.de kritisiert die Journalistin und Rechtsextremismus-Expertin Andrea Röpke, dass viele deutsche Medien das Thema immer noch vernachlässigten. Zwar gebe es seit der Aufdeckung des NSU ein größeres Interesse, jedoch scheuten sich viele Medien weiterhin davor, Nazi-Terror auch als solchen zu benennen. Expert*innen wie Röpke selbst würden meist nur befragt, wenn etwas »Großes« passiert. Außerdem gebe es immer noch zu wenige investigative Recherchen über rechte Gewalt. Wie kann man es besser machen? Röpke plädiert dafür, nicht hysterisch mit dem Thema umzugehen und stärker mit der Wissenschaft zusammenzuarbeiten.
Der Autor Georg Dietz kritisiert ebenfalls bei deutschlandfunk.de die Zurückhaltung der Medien beim Thema rechter Terror. Es herrsche eine regelrechte Angst. Oft laute der Tenor: »Es kann nicht sein, dass wir wieder so sind, wie wir mal waren.« Dies würde zu einer Sprachlosigkeit führen.
Vorfälle, die mit Rechtsterrorismus zu tun haben, werden oft nicht so bezeichnet. Doch es gibt Ausnahmen: Antifaschistische Recherche- und Redaktionskollektive, wie das »Antifaschistische Infoblatt« oder »Der Rechte Rand« warnen schon länger vor den Gefahren durch die rechte Szene. Linke Twitter-User berichten von jeder noch so kleinen Nazi-Demonstration in der Provinz.
Manche der ehrenamtlich arbeitenden Kollektive und Einzelpersonen leisten damit einen größeren Beitrag zur Aufklärung als Behörden mit Millionenbudgets. So war es das Online-Recherche-Projekt Exif, das Verbindungen des Nazi-Terroristen Stephan E. zu »Combat 18« nachwies. Strafverfolgungsbehörden und selbst der Verfassungsschutz nutzen regelmäßig die Recherchen der kleinen, linken Projekte - um sie später als »Extremisten« zu brandmarken und zu bekämpfen.
Dass viele bürgerliche Medien bei der Berichterstattung über rechte Gewalt Nachhilfe benötigen, zeigte sich nach dem Mord an Lübcke wieder. süddeutsche.de schwang in extremismustheoretischer Manier das Hufeisen und titelte: »Deutschland hat es mit einer braunen RAF zu tun.« Auch andere Zeitungen zogen schnell Parallelen zur »Baader-Meinhof-Gruppe«. In den »Liberal-konservativen Notizen« auf tagesspiegel.de sinniert die Publizistin Liane Bednarz über die »Lehren aus der RAF für den Fall Lübcke«.
Der Bezug zum »Deutschen Herbst« zeigt vor allem eins: Geschichtsvergessenheit. Schließlich planten bereits in den 1970er Jahren rechte Terrornetzwerke wie die Wehrsportgruppe Hoffmann Anschläge auf Linke und Migrant*innen. Seit den 1990er Jahren wurden mehr als 200 Menschen durch Nazis ermordet. Spätestens seit dem der NSU-Mordserie sollte klar sein: Rechter Terror ist Alltag in Deutschland.
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