Unsachliche Drohungen

Merkels Afrikabeauftragter Nooke reagiert auf Kritik empfindlich. Einer Forscherin droht er mit Jobverlust

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

»Anpassung der kritischen Wissenschaft? Kritik der angepassten Wissenschaft!«, lautet der Titel einer Veranstaltungsreihe am Asien-Afrika-Institut der Hamburger Universität, die am vergangenen Dienstag startete. Vor rund 70 Teilnehmer*innen wurde an einem sehr konkreten Beispiel aufgezeigt, welche Konsequenzen eine politische Positionierung für Wissenschaftler*innen haben kann. Die Hamburger Juniorprofessorin Raija Kramer hatte einen Offenen Brief namhafter Afrikanist*innen unterzeichnet, der die Äußerungen des persönlichen Afrika-Beauftragten der Bundeskanzlerin, Günter Nooke, zum Kolonialismus kritisiert.

Nooke hatte in einem Interview mit der Boulevard-Zeitung »BZ« erklärt, der Kalte Krieg Afrika habe mehr geschadet als der Kolonialismus. In dem Brief der Wissenschaftler*innen wurde auch Nookes Entlassung gefordert. Daraufhin kam es am 13. Februar im Berliner Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit zu einem Treffen zwischen Nooke und seinen Kritiker*innen aus der Wissenschaft. Nachdem die neunköpfige Delegation nicht dazu bereit war, Nooke pauschal von jedem Rassismusvorwurf freizusprechen, übergab der Politiker Raija Kramer ein Dokument, dass die Eignung der Wissenschaftlerin für den Hochschuldienst infrage stellte. Nooke drohte damit, das Papier auch den Hamburger Universitätspräsidenten, Kramers Vorgesetzten, zu schicken.

Die Empörung über das Vorgehen des früheren DDR-Bürgerrechtlers ist bei den Afrikanist*innen groß. Studierende und Hochschullehrer*innen haben sich in verschiedenen Erklärungen mit Kramer solidarisiert.

An der Veranstaltung in Hamburg beteiligten sich auch die Kölner Afrikanistin Anne Storch und der Sprecher der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, Tahir Dela. Der wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für Ethnologie der Universität Hamburg, Jan Budniok, der zu den Initiator*innen der Veranstaltungsreihe gehört, zeigte sich im Gespräch mit dem »nd« zufrieden mit der Resonanz der Auftaktveranstaltung. Es gebe durchaus eine Sensibilisierung für die Gefahr, die von Nookes Drohungen ausgehen. »In der letzten Zeit wurde viel über die Repression gegen kritische Wissenschaftler*innen in der Türkei gesprochen. Da sehen manche durchaus Parallelen, wenn eine Kritik an Nooke Folgen für die Karriere einer kritischen Wissenschaftlerin haben soll.«

»Mit unserer Hamburger Veranstaltungsreihe wehren wir uns gegen Einschüchterungsversuche vonseiten der Politik und lassen Kolleg*innen zu Wort kommen, die kritische Positionen in der Wissenschaft verteidigen«, erklärte Raja Kramer, die damit deutlich macht, dass sie nicht klein beigeben will und sich weiterhin politisch positionieren wird.

Unterstützung bekommt die Wissenschaftlerin auch aus der Politik. So erklärte der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Ottmar von Holz, in einer Pressemitteilung: »Der Afrikabeauftragte Günter Nooke hat versucht, kritische Stimmen mundtot zu machen.« Der Verlauf des vermeintlich klärenden Gespräches und die anschließende Drohung gegenüber der Afrikanistin habe gezeigt, dass es Nooke an Fingerspitzengefühl und Urteilsvermögen in kritischen Situationen fehle, monierte von Holz.

Der Grünen-Politiker unterstützt auch inhaltlich die Kritik der Wissenschaftler*innen: »Herr Nooke sagte öffentlich, dass der Kolonialismus dazu beigetragen habe, Afrika aus archaischen Strukturen zu lösen. Das ist das exakte Gegenteil von der Feststellung der Bundesregierung, dass der Kolonialismus eine massiv schädigende Wirkung auf Afrikas Entwicklung hatte.« Wie die Wissenschaftler*innen hält auch der Bundestagsabgeordnete der Grünen Nooke als Afrikabeauftragten der Bundesregierung für eine Fehlbesetzung.

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