Brandenburg-Urlaub im Bahnhof
Landesregierung startet Werbeprojekt »Elternzeit« - Video-Botschaften werden mit Familienferien prämiert
Gerade erst hatte das brandenburgische Kulturministerium als Marschrichtungsziel die Lausitz zugewiesen bekommen, denn Cottbus soll bald neuer Dienstsitz werden. Doch gleich darauf zeigte die Landesregierung, dass sie zwecks Besiedlung der ausgezehrten Problemregionen nicht nur die Peitsche schwingen, sondern auch das Zuckerbrot zum Einsatz bringen will. Staatssekretär Thomas Kralinski (SPD) stellte Ende vergangener Woche eine Kampagne vor, mit der mehr Familien nach Brandenburg gelockt werden sollen.
»Brandenburg. Es kann so einfach sein.« Das Motto der vor Jahresfrist gestarteten Werbekampagne, mit dem die Macher viel Spott und Häme ernteten, kam wieder zum Einsatz, als Kralinski mitteilte, dass Großplakate mit diesen Worten an den aus Berlin herausführenden Autobahnen prangen. Inzwischen stehe an 13 von 14 Autobahnabschnitten, die das Land erreichen, diese »werbende Botschaft«. Im kommenden Jahr sollen dem Staatssekretär zufolge dann auch die Schilder mit den einschlägigen Abschiedsformeln errichtet werden. Das heißt, den Menschen, die aus Brandenburg herausfahren wollen, wird ein Werbespruch mit auf den Weg gegeben, demzufolge die Dinge hierzulande ganz einfach seien.
Damit aber nicht genug. Im Sommer beginnt das Werbeprojekt »Elternzeit. Es kann so einfach sein.« Kralinski: »Damit wollen wir Familien Lust auf unser Land machen und sie für einen Monat Elternzeit einladen.« Aber das muss man sich natürlich auch erst einmal verdienen. Folglich sind Eltern - ganz gleich, ob alleinerziehend oder in Familie - aufgerufen, eine kurze Videobotschaft aufzunehmen, in der sie ihr Interesse an Brandenburg bekunden, und diese der Staatskanzlei in Potsdam zuzusenden. Unter den Einsendungen wird eine Jury, in der prominente Brandenburger wie unter anderem die Schauspielerin Anja Kling und Ex-Boxer Axel Schulz mitwirken, die drei besten ermitteln.
Die Gewinner werden zu einem vierwöchigen Urlaub nach Brandenburg eingeladen, den sie dann im alten Bahnhof von Börnicke (Havelland), in einem Flügel des Schlosses Lanke (Barnim) oder in der ausgebauten Mühle von Groß Leine (Dahme-Spreewald) verbringen werden. Ein Handgeld von 1000 Euro gibt es obendrauf. Damit nicht gleich weit verzweigte Großfamilien anreisen, ist eine Obergrenze vorgesehen - doch Familien mit bis zu acht Köpfen können sich Chancen ausrechen, vier Wochen in der märkischen Stille auszuhalten. Das gewählte Verfahren erscheint etwas unlogisch, denn die Familien müssten in ihren Bewerbungs-Clips ihre Liebe zu Brandenburg beteuern, die dieser Urlaub im Grund ja erst wecken soll. Auch stellt sich die Frage, ob der Begriff »Elternzeit« hier gut gewählt ist oder nicht vielmehr in die Irre führt. Denn er ist ja Bestandteil der Sozialpolitik, die darauf gerichtet ist, dass sich Eltern die Betreuung ihrer Neugeborenen in deren ersten Lebensmonaten teilen können, und hat also mit dem, was Brandenburg da als Werbeaktion plant, nicht viel zu tun.
Auf Nachfrage bestätigte Kralinski, dass nur Familien von außerhalb sich um diese Ferien bewerben können - Familien, die schon das Glück genießen, in Brandenburg leben zu dürfen, seien von der Bewerbung ausgeschlossen. Es handelt sich sozusagen um eine »Neukundenstrategie«. In den anderen Bundesländern wird das Angebot via »Radio Teddy« verbreitet, das laut Staatssekretär Kralinski rund 400 000 Zuhörer hat. Darüber hinaus habe man auch eine »Influencerin« gewonnen, die unter dem Namen Isabeau im Internet zahlreiche »Follower« erreicht.
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