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Weltraum ohne Hoffnung
Leo Fischer über den Abschied von der Idee, dass wir nur einen Planeten haben
Vor einer Weile bekam ich aus mir nicht näher erklärlichen Gründen den Artikel eines liberalen Wirtschaftsmagazins ins Postfach gespült. Es war einer dieser immer leicht euphorisch gehaltenen Wirtschaftsbeiträge, denen die Mühe des Autors, nicht gänzlich in die PR abzugleiten, deutlich zwischen die Zeilen geschrieben steht. Das Thema: Weltraumbergbau. Zwar sei das alles noch Zukunftsmusik, so der Tenor, aber schon jetzt gebe es dazu sehr attraktive Fundraiser-Events in Europa und anderswo, bei denen sehr beeindruckende Powerpoint-Folien gezeigt und exquisite Schnittchen gereicht werden.
In schon zehn Jahren könnte es losgehen: Erst schickt man eine kleine Mannschaft auf einen Asteroiden, dann baut man eine kleine Fabrik, dann eine noch größere Fabrik, und ruckzuck werde aus dem bisher so trist am Himmel stehenden Asteroidengürtel ein neues Klondike. Der Asteroidengürtel sei nämlich im Gegensatz zu unserer schon arg verbrauchten Erde eine nahezu unerschöpfliche Quelle von Rohstoffen. Außerdem, so suggeriert der Autor schelmisch, müsse man es auf dem exterritorialen Gebiet, das der Weltraum nun einmal darstellt, mit den gesetzlichen Auflagen nicht mehr so schrecklich ernst nehmen.
Heute lese ich, dass das kommerzielle Raumfahrtunternehmen SpaceX seine erste Schwerlastrakete »Falcon Heavy« in die Umlaufbahn geschickt hat. Der Plan der reichsten Menschen der Welt, sich erst einmal ferienhalber Richtung Weltraum zu verabschieden, koinzidiert aufs Verblüffendste mit den neuesten Hochrechnungen zur bevorstehenden Unbewohnbarkeit der Erde. Die schöne alte Idee der frühen Ökobewegung, dass wir alle nur einen Planeten haben und wenigstens das Schicksal der Umwelt ein klassenübergreifendes ist, steht schon rein technisch zur Disposition.
Dann sah man diese Woche sensationelle Fotografien von der Korona des Schwarzen Lochs Sagittarius A*, jahrelang aus Millionen Einzelbildern zusammengerechnet nicht zuletzt von der Informatikerin Katie Bouman - von der man erst gehört hat, als ihre Abwesenheit in der Berichterstattung durch die sozialen Medien skandalisiert wurde.
Und schließlich gibt es das Scheitern der israelischen Mondmission »Bereschit«, die von weiten Teilen der Öffentlichkeit mit einer feindseligen Genugtuung und einer Häme begleitet wurde, die jeder Beschreibung spottet. Völlig egal, dass es hier um ein ambitioniertes Wissenschaftsprojekt eines kleinen Landes ging, dessen Ergebnisse der gesamten Menschheit zugute gekommen wären - man gönnt Israel nicht einmal dieses. Sofort werden finsterste Motive unterstellt, wilde Zusammenhänge mit Netanjahus Wahlkampf konstruiert; der alte Antisemitismus, hinter der schon reichlich fadenscheinigen Maske der Israel-Kritik verborgen, überlebt anscheinend auch in der Schwerelosigkeit.
Im 20. Jahrhundert war der Weltraum das Gegenteil der Welt, ihr Fluchtpunkt, der Plan B. Den Zwängen der alten Erde wollte man entkommen, die Wiege der Menschheit endlich verlassen, und mit ihr die Vorurteile und Kämpfe früherer Zeiten. Vom utopischen Potenzial des Weltraums ist wenig bis nichts mehr vorhanden: Der Weltraum ist einfach zur Verlängerung der Welt geworden, Raum für noch mehr Welt, die immer noch die alte bleibt, ganz ohne Hoffnung. Auch die Science Fiction ist ja schon eine komplett trostlose geworden, entweder apokalyptisch-dystopisch oder als ewiges Prequel einer Zukunftsvision von gestern. Nein, einen Weltraum, in dem wieder nur die alten Arschgesichter von der Erde das große Wort führen, den brauche ich ganz sicher nicht. Bis auf Weiteres bleibt der Weltraum daher geschlossen.
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