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Dem IWF könnte das Geld ausgehen
Globaler Konjunktureinbruch und einige große Sorgenkinder bereiten dem Währungsfonds Kopfzerbrechen
Christine Lagarde warnt die Regierungen der Welt. Die Weltwirtschaft durchlebe einen »delikaten Moment«, erklärte die Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF) am Donnerstag auf einer Pressekonferenz vor Beginn der bis Sonntag laufenden Frühjahrstagung des IWF und der Weltbankgruppe in Washington. Der Währungsfonds senkte seinen Konjunkturausblick: 2019 werde die Weltwirtschaft um 3,3 Prozent wachsen und damit deutlich weniger als in den vergangenen Jahren.
Es gibt viele Gründe, warum der lange Konjunkturaufschwung langsam zu Ende geht. Handelskonflikte und Zollerhöhungen, der ungewisse Ausgang des Brexit, sinkende Zuversicht in den Vorstandsetagen und schlechtere Finanzierungsmöglichkeiten für Unternehmen gehören dazu. Zudem brummt der Motor der Weltwirtschaft, China, weniger laut als in der zurückliegenden Dekade.
Der Währungsfonds sieht auch weiterhin das Risiko einer »scharfen Finanzmarktkorrektur«. Das hätte entsprechend nachteilige Auswirkungen auf die Bankenstabilität und die Wirtschaft in vielen Ländern. In seinem aktuellen Finanzstabilitätsbericht weist der IWF darauf hin, dass eine solche Korrektur leicht von enttäuschenden Wachstumszahlen, einer unerwartet straffen Geldpolitik von Zentralbanken, anhaltenden Handelsspannungen oder von einem ungeordneten EU-Austritt Großbritanniens ausgelöst werden könnte. Eine Krise dürfte dann besonders Unternehmen in den Vereinigten Staaten und der Eurozone treffen, die zuletzt deutlich mehr Schulden aufgenommen haben. Die Zahl riskanter Finanzierungen hat sich dem Bericht zufolge vervierfacht.
Deutschland wird in diesem Jahr in der Eurozone, wenn man vom Sonderfall Italien absieht, das geringste Wirtschaftswachstum verzeichnen, prognostiziert der IWF in seinem neuen »World Economic Outlook«. Immerhin erwartet IWF-Chefin Lagarde nicht, dass die Weltwirtschaft schnurstracks in den Abgrund stürzt. Für 2020 erwartet sie sogar eine leichte konjunkturelle Erholung.
Tatsächlich lassen sich die IWF-Daten auch anders deuten, nämlich als Verschiebung der globalen Kräfteverhältnisse. Während in den Industriestaaten das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von deutlich über 2 auf 1,6 Prozent bis zum Jahr 2024 sinken wird, steigt jenes in den Entwicklungs- und Schwellenländern auf 4,9 Prozent an. Und im Unterschied zur Asienkrise 1997/98 gilt die Verschuldung in vielen Schwellenländern als vergleichsweise moderat. Andererseits könnte selbst ein solches Wachstum nicht ausreichen, um die wachsende Bevölkerung ohne Umverteilung aus der Armut zu holen.
Die Frühjahrstagung des Währungsfonds und der Weltbank findet alljährlich in der US-Hauptstadt statt - dort haben beide Finanzinstitutionen ihren Sitz. Im Vordergrund steht die Frage, wie die »Resilienz«, also die Widerstandskraft der einzelnen Länder und der Weltwirtschaft gegen Krisen, gestärkt werden kann. Lagarde will dazu mehr Kapital für ihren Fonds. Kürzlich hatte auch der Vorstand der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel - hier sind die Zentralbanken der Welt zusammengeschlossen - gewarnt, dem IWF könnte das Geld ausgehen, wenn mehrere Schwellenländer straucheln. Das wirtschaftlich erneut schwächelnde Argentinien steht beim Fonds bereits tief in der Kreide. Das gilt auch für Ägypten, Pakistan sowie die Ukraine. Und die Türkei gilt als Kandidat für neue Milliardenhilfen. Laut IWF-Prognose wird die Wirtschaft dort in diesem Jahr um 2,5 Prozent schrumpfen, in Venezuela sogar um zehn Prozent. Das südamerikanische Land könnte bald zum größten Problemfall für den IWF werden.
Hinter den Kulissen wird seit Jahren auch um Macht gerungen. Die USA sind der größte Zahler des IWF und halten mit 17,5 Prozent den mit Abstand größten Stimmenanteil. China, längst die Nummer zwei in der Welt, muss sich dagegen mit 6,4 Prozent begnügen. Das ist kaum mehr als die Bundesrepublik, obwohl die Wirtschaftsleistung der Volksrepublik mehr als dreimal so groß ist.
Lagarde, die seit 2011 geschäftsführende Direktorin des Währungsfonds ist, macht indes auch keinen Hehl daraus, dass sie die Geldpolitik vieler Länder für zu straff hält. So sollte beispielsweise Deutschland mit seinem hohen Außenhandelsüberschuss weit mehr öffentliche Investitionen finanzieren. Die Französin kritisiert außerdem die Zinserhöhungen der US-Notenbank Fed. Das verteuere Kredite und senke die Bereitschaft zu Investitionen in den Vereinigten Staaten.
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