Piraten zu Paritätsgesetz: Richtiges Anliegen, falsches Gesetz

Piraten kündigen Verfassungsklage gegen Parité-Gesetz in Brandenburg an

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Brandenburger Landesverband der Piratenpartei Deutschlands wird gegen das vom Landtag beschlossene Parité-Gesetz Verfassungsbeschwerde einlegen, kündigte Landesvorsitzender Thomas Bennühr am Montag an. Weder erreiche das Gesetz sein Ziel, noch sei es mit Grundgesetz und Landesverfassung vereinbar.

Mit einem Stand vor dem Fortuna-Portal des Potsdamer Landtagsschlosses verliehen die Piraten ihrer Entschlossenheit Ausdruck, gegen einen Beschluss zu klagen, mit dem in Brandenburg das Wahlrecht geändert werden sollte. Mit den Stimmen von SPD, LINKE und Grünen hatte das Parlament am vergangenen Donnerstag festgelegt, dass alle Parteien bei Landtagswahlen künftig gleich viele Frauen und Männer als Kandidaten aufstellen müssen. Dagegen gestimmt hatten CDU und AfD.

Dabei unterstützen die Piraten das Anliegen, »eine dem Bevölkerungsanteil von Frauen, Männern und Intersexuellen entsprechende Beteiligung in Politik und Parlamenten als großen Gewinn für unsere repräsentative Demokratie«, sagte der Piraten-Landeschef. Er nannte das Ziel eine »tolle Sache«, fragte aber: »Was hinderte die Parteien in der Vergangenheit, ihre Wahllisten so zu gestalten, dass im Ergebnis die Parlamente tatsächlich dementsprechend besetzt werden?« Was aber das im Potsdamer Landtag beschlossene Paritätsgesetz betreffe, schreibe es eine starre Quote fest und stelle daher einen unverhältnismäßigen staatlichen Eingriff in den verfassungsrechtlich geschützten organisatorischen Gestaltungsspielraum und die Programmfreiheit der Parteien dar.

Mit diesem Gesetz werde der Grundsatz der Wahlfreiheit beeinträchtigt, sagt der Pirat. Diese Freiheit sehe vor, dass jede wahlberechtigte Person ihr aktives und passives Wahlrecht uneingeschränkt ausüben darf. Das beziehe sich auch auf das Wahlvorschlagsrecht. Mit dem, was nun in Brandenburg Beschlusslage sei, werde die Wahlfreiheit der Parteien, darüber zu entscheiden, mit welchen Kandidaten sie an der Willensbildung des Volkes mitwirken wollen, unverhältnismäßig eingeschränkt. Er verwies auf diverse Gutachten der juristischen Beratungsdienste von Landtag, Bundestag und auch Bayerischem Landtag.

Auf den Hinweis, dass sowohl SPD als auch LINKE und Grüne in Brandenburg schon lange ihre Landeslisten paritätisch mit Männern und Frauen besetzen, sagte Bennühr: »Um ein echtes Signal in die Gesellschaft zu senden, hätten diese Parteien dann mehr Frauen als Männer aufstellen müssen oder überhaupt nur Frauen.« Was aber gerade kleine Parteien betreffe, so würden die schnell in ein Dilemma geraten. »Auf unserer Landesliste beispielsweise sind von acht Personen zwei Frauen. Aber wir haben auch nur diese beiden gefunden, die bereit waren, zu kandidieren. Nach Maßgabe des beschlossenen Gesetzes könnten wir daraufhin nur noch zwei Männer benennen, also insgesamt nicht mehr als vier.«

Zoey Matthies, Themenberater der Brandenburger Piraten, fügte hinzu, man müsse das Denken allein im Mann-Frau-Dualismus überwinden, dürfe es nicht auch noch in Gesetzen festschreiben. »Erst im vergangenen Jahr wurde die Anerkennung des ›dritten Geschlechts‹ beschlossen. Das war ein wichtiger Schritt zur Gleichberechtigung von intersexuellen Menschen. Wenn jetzt die 50-zu-50-Quote vorgeschrieben wird, scheint da irgendetwas nicht durchdacht zu sein.«

Unterstützt wird er von Jeanette Paech, Kandidatin auf der Landesliste der Piraten: »Überall wird von Gleichberechtigung gesprochen, leider ist das Thema aber immer noch nicht bei den Parteien angekommen. Es wäre für die etablierten Parteien so einfach, es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, mehr Frauen und Intersexuelle aufzustellen.« Frauen haben wie Männer die Freiheit, sich auf Listen wählen zu lassen, unterstreicht Piratenchef Bennühr. Allerdings führt dieses Recht seit vielen Jahrzehnten nicht automatisch zu einem ausgewogenen Frau-Mann-Verhältnis in den Parlamenten.

Mit dem neuen Gesetz wollten die Fraktionen von SPD, LINKE und Grünen erreichen, dass möglichst gleich viele Männer und Frauen in den Landtag einziehen können. Ausgenommen von der Regelung bleiben allerdings die Direktkandidaten in den Wahlkreisen. Von den aktuell 88 Landtagsabgeordneten in Brandenburg sind 35 Frauen. Die Oppositionsfraktionen von CDU und AfD stimmten gegen das Gesetz und erklärten es für verfassungswidrig, weil es unzulässig in das Wahlrecht eingreife.

Die neue Regelung soll im Sommer 2020, also nach der Landtagswahl im Herbst, in Kraft treten. Neben den Piraten hat in Brandenburg auch die Jugendorganisation der Liberalen Verfassungsbeschwerde angekündigt. Beide Parteien sind nicht im Landtag vertreten.

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