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Nicht nur eine Luftnummer
Deutschland streicht Mahan Air die Betriebserlaubnis und passt sich so Trumps Sanktionspolitik gegen Iran an
Mit sofortiger Wirkung hat das Luftfahrtbundesamt die Betriebserlaubnis für die iranische Luftfahrtgesellschaft Mahan Air ausgesetzt. Die Airline flog bislang von Teheran aus dreimal pro Woche Düsseldorf und einmal München an. Dass sie es nicht mehr darf, liegt nicht etwa daran, dass die Airline zu alte und damit zu unsichere oder zu laute Maschinen nutzt. Der Schritt ist erforderlich zur »Wahrung der außen- und sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands«, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes.
Mahan Air sei, so heißt es, keine normale Fluggesellschaft. Mit ihr würden auch iranische Kämpfer und Waffen nach Syrien geflogen. Das weiß man im Auswärtigen Amt ebenso wie im dem Verkehrsministerium unterstellten Luftfahrtbundesamt. Seit Jahren. Um die aktuelle Scheinheiligkeit auf die Spitze zu treiben, könnte man den BND bitten, bei Google den Namen des Mahan-Air-Geschäftsführers einzugeben. Hamid Arabnejad ist einstiger Kommandeur in den iranischen Revolutionsgarden, also aus US-Sicht ein Terrorist. Zudem wurde die Airline 1991 in Kerman gegründet. Und wer stammt aus der Provinz? Qassem Soleimani. Der ist derzeit der wichtigste iranische Truppenführer in Syrien. Wenn das nicht erdrückende Beweise sind?!
Unter der Hand wird auf die zunehmende Spionagetätigkeit Irans in Deutschland verwiesen. Vor einigen Tagen flog ein Agent auf, der bei einer stinkgeheimen Cybertruppe der Bundeswehr angestellt war. Reicht auch das nicht als Gruselargument, erinnern Sicherheitsexperten an Meldungen des dänischen Inlandsgeheimdienstes aus dem vergangenen Herbst. Demnach plante Iran Anschläge auf Exilgruppen. Einer der mutmaßlichen Attentäter - ein Norweger mit iranischen Wurzeln, den Schweden an Dänemark ausgeliefert hatte - sitzt in Haft.
Gab es solche Attentatspläne tatsächlich? Auch französische Dienste meldeten derartige iranische Aktivitäten. Doch zumindest aus Sicht der iranischen Regierung, die zunehmend mit innenpolitischen Protesten wegen der schlechten Wirtschaftslage konfrontiert ist, machen solche Attentatspläne keinen Sinn. Zumindest nicht zu diesem Zeitpunkt, denn noch bis in den Herbst 2018 hinein war EU-Europa ein wichtiger Verbündeter gegen wieder in Kraft gesetzte US-Sanktionen. Doch die Terrormeldungen erfüllten ihren Zweck - sie machten Schlagzeilen.
Keine Schlagzeilen dagegen machte vorerst ein Tweet des US-Botschafters in Deutschland. »Warum darf Mahan Air nach wie vor nach München und Düsseldorf fliegen?«, hatte Richard Grenell im Dezember über den Nachrichtendienst Twitter gefragt. Immerhin, so die Logik von Donald Trumps Chefdiplomaten in Berlin, stehe die Airline in den USA bereits seit 2011 auf der »Schwarzen Liste«. Als Hintergrund für diese Entscheidung diente ein angeblich von Iran geplanter Anschlag auf den saudi-arabischen Botschafter in den USA.
Die ganze deutsch-iranische Airline-Affäre ist nur ein Berliner Schachzug, um sich von eigenen Versprechen loszusagen. Anfang Mai vergangenen Jahres hatte der US-Präsident den Ausstieg aus dem Atom-Deal mit Iran angekündigt, den das Regime in Teheran 2015 mit allen UN-Vetostaaten und Deutschland vereinbart hatte. Der sah ein kontrollierbares Ende des iranischen Nuklearwaffenprogramms vor. Im Gegenzug wurde ein Abbau westlicher Sanktionen zugesichert.
Kanzlerin Angela Merkel kritisierte die Entscheidung Trumps als »schwerwiegend« und bekräftigte: »Wir werden diesem Abkommen verpflichtet bleiben und alles daran setzen, dass auch der Iran seine Verpflichtungen einhält.« Mit dieser Aussage bewegte man sich - bereits leicht devot - auf einer Linie mit der russischen Regierung. Was in Washington zusätzlich Argwohn hervorrief.
In erster Linie galt Berlins Sorge einem Wiederaufleben der atomar unterlegten Feindseligkeiten zwischen dem Westen und Iran. Deutschland fürchtete nicht von ungefähr, dass es seine politische Glaubwürdigkeit verliert und so auch im heißen Konflikt zwischen Iran und Saudi-Arabien nicht mäßigend wirken kann.
Auch wirtschaftliche Erwägungen spielten eine Rolle. Zwar war Iran im vergangenen Jahr für Deutschland und die EU nur ein kleiner Handelspartner. Mit Ausfuhren im Wert von knapp drei Milliarden Euro rangiert das Land nur auf Rang 50 der deutschen Exportpartner. Doch nach der Lockerung der Sanktionen wuchsen die Hoffnungen vor allem vieler mittelständischer Unternehmer. Sie wollten vom beginnenden Wachstum der iranischen Wirtschaft profitieren.
Bei der EU dachte man bereits über eine Art Schutzgesellschaft nach, mit deren Hilfe Brüssel Unternehmen, die von den USA wegen Sanktionsverweigerung attackiert werden, unterstützen wollte. Gedacht war vor allem an eine Art Tauschhandel - iranisches Öl gegen EU-Waren. Doch auch das läuft letztlich auf Dollarbasis, also gar nicht. Die Banken winkten ab und stellten nach und nach ihre Kreditgeschäfte mit Iran ein.
Zugleich wuchs die Halbherzigkeit der EU-Politik. Es fand sich kein Mitgliedstaat, der eine solche Anti-Sanktionsgesellschaft beherbergen wollte. Wohl aber schlugen sich EU-Staaten wie Polen auf die Seite der USA und Dänemark forderte sogar, die EU möge ein eigenes Sanktionsprogramm auflegen. Nun passt sich auch die deutsche Regierung der Trumpschen Ausgrenzungspolitik an. Man darf dafür von den aktuellen iranischen Machthabern nicht allzu viel Verständnis erwarten. Freuen werden sich allenfalls die Hardliner in Washington und die in Teheran.
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