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Urteil gegen Bürgermeister von Riace

Aufenthaltsverbot für Domenico Lucano bestätigt

  • Wolf H. Wagner
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Berufungsgericht in Reggio Calabria hat den über den Bürgermeister der Gemeinde Riace, Domenico Lucano, verhängten Hausarrest aufgehoben. Es gäbe keine Gründe für ein Festhalten des Lokalpolitikers, so die Juristen. Allerdings darf der Gemeindevorsteher nicht in seinen Ort zurückkehren. Es bleibt abzuwarten, ob Rechtsschritte seitens des Staates gegen Lucano folgen.

Lucano war am 2. Oktober unter der Beschuldigung, illegale Einwanderung gemäß des Bossi-Fini-Gesetzes aus dem Jahre 2002 unterstützt zu haben, festgenommen und unter Arrest gestellt worden. Ebenso verfuhren die Ordnungskräfte mit der Lebensgefährtin Lucanos, Tesfahun Lemlem.

»Ich habe mir nichts zu Schulden kommen lassen, der Hausarrest war völlig unbegründet«, erklärte Lucano der wartenden Presse. Enttäuscht zeigte er sich über den Entscheid, dass er den Boden Riaces nicht betreten darf. Lucano sieht dies als ein politisches Urteil der Regierenden in Rom, insbesondere des Innenministers und Chefs der ausländerfeindlichen Lega, Matteo Salvini, an.

»Sie wollen unser Projekt einer menschlichen Flüchtlingsaufnahme und der Wiedergeburt einer eigentlich schon sterbenden Gemeinde zerstören«, erklärte der Bürgermeister. Man werde jedoch auch in Zukunft von dem Projekt nicht ablassen.

Anfang der Woche hatte das Innenministerium - auf Anordnung des Ministers - eine auf den 9. Oktober rückdatierte Verordnung erlassen, nach der alle Integrationsprojekte in Riace sofort zu schließen und die Migranten auf andere Aufnahmelager in Italien zu verteilen seien. Die Veröffentlichung der Maßnahmen hatten weitere Protestmaßnahmen hervorgerufen. Bereits an den beiden vorangegangenen Wochenenden gingen in verschiedenen kalabresische Städten Tausende Menschen aus Solidarität mit Lucano und den Einbürgerungsprojekten in Riace auf die Straßen. Mitte der Woche dann - parallel zum Freilassungsbeschluss des Gerichts - ruderte das Innenministerium zurück und ließ erklären, nur wer freiwillig aus Riace fortzöge, solle in anderen Aufnahmestationen bis zu einem endgültigen Asylentscheid Unterkunft finden. Die Beamten ließen jedoch keinen Zweifel, dass jeder Nichtberechtigte abgeschoben würde.

Riace war durch Fortzug und Überalterung zu einer sterbenden Gemeinde geworden, von den ursprünglich 3000 Einwohnern waren nur noch 800 am Ort verblieben. In der Zuwanderung sah Lucano eine Chance, das Dorf wieder zum Leben zu erwecken. Derzeit leben 2430 Menschen in Riace, das Italienweit als ein Vorzeigebeispiel für gelungene Integration galt. Lucano selbst wurde für sein Engagement vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Dresdner Friedenspreis.

Es ist zu erwarten, dass der auch von vielen italienischen Intellektuellen unterstützte zivile Ungehorsam der Bürger Riaces gegen die Anweisungen des Innenministeriums den Konflikt noch eine Weile wach halten wird. Lucano wird seinen Kampf für die Erhaltung der Projekte fortsetzen. Konfrontationen mit Salvini werden da nicht ausbleiben.

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