Zeichen setzen

Kunstsammlung für Exilmuseum zur Auktion

  • Nada Weigelt
  • Lesedauer: 2 Min.

Mit einem Porträt von Thomas Mann fing es an, damals musste der Vater noch für Monate das Taschengeld vorstrecken. In den 60 Jahren seither hat der Berliner Kunsthändler Bernd Schultz eine einzigartige Sammlung von Werken auf Papier zusammengetragen - Rembrandt und Watteau sind dabei, Kokoschka und Picasso, Baselitz und Bruce Nauman. Jetzt will der 76-Jährige seine »Kinder«, wie er sie nennt, auf einen Schlag für ein Herzensanliegen verkaufen. »Wir werden ein Exilmuseum gründen, in dem wir die Geschichte der 500 000 Menschen wieder in Erinnerung rufen, die unser Land in der NS-Zeit aus dem deutschsprachigen Kulturkreis vertrieben hat«, sagt Schultz. »Das ist zur Aufarbeitung unserer Geschichte unbedingt notwendig. Es soll gerade heute auch ein Zeichen gegen alle Formen der Vertreibung setzen.«

Schultz hat als Gründer des renommierten Berliner Auktionshauses Villa Grisebach bei seinen Reisen in alle Welt zahllose Emi᠆granten aus Deutschland kennengelernt. »Ich bin diesen Schicksalen begegnet und habe gespürt, dass diese Menschen nie wieder eine Heimat gefunden haben«, sagt Schultz. »So ist es zu meinem Lebensthema geworden.«

Schirmherrin des Projekts ist Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller, die wegen der Verfolgung durch das Ceausescu-Regime selbst ihre Heimat in Rumänien verloren hat. Sie hatte sich schon 2011 in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für ein Museum des Exils eingesetzt. »Es ist bitter. Aber es liegt heute fast noch derselbe Schatten wie 1945 auf dem Thema Exil«, schreibt die 65-Jährige in einem Vorwort zu den drei aufwendig kommentierten Auktionskatalogen.

Unter dem Titel »Sammlung Bernd Schultz - Abschied und Neuanfang« kommen am 25. und 26. Oktober in der noblen Villa Grisebach in der Nähe des Kurfürstendamms über 300 Handzeichnungen aus 500 Jahren Kunstgeschichte unter den Hammer. Gesamtschätzwert: rund fünf Millionen Euro. So kommen Blätter auf den Markt, nach denen sich jedes Kupferstichkabinett der Welt sehnen dürfte. Etwa Pablo Picassos Porträts »Die Frau am Fenster« (1952) und »Die Ägypterin« (1953), zusammen auf 300 000 bis 400 000 Euro geschätzt. Zeichnungen wie »Selbstbildnis« von Oskar Kokoschka, »La Persane« von Henri Matisse oder »Abschied« von Käthe Kollwitz sind jeweils auf 200 000 bis 300 000 Euro veranschlagt. Versteigert werden aber auch Werke, die sich im drei- und vierstelligen Bereich bewegen.

Der gesamte Erlös soll der Stiftung des künftigen Exilmuseums zugutekommen. Als Standort war zunächst das bisherige Käthe-Kollwitz-Museum in Charlottenburg im Gespräch. Inzwischen werben die Initiatoren um einen Platz hinter dem Anhalter Bahnhof. Schultz hofft, sein neues Projekt zumindest bis zum 80. Jahrestag des Kriegsendes 2025 zum Leben zu erwecken. dpa/nd

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