Warum die Pubs dichtmachen
Seit dem Jahr 2000 hat ein Fünftel der Lokale in Großbritannien seine Pforten zugesperrt
Früher führte nach der Arbeit kein Weg an ihnen vorbei: Pubs gehören zu Großbritannien wie der Afternoon Tea oder der akkurat getrimmte Rasen. Doch immer mehr Wirte müssen ihre Lokale schließen. Allein in der ersten Jahreshälfte 2018 haben beinahe 500 Pubs den Betrieb eingestellt - es ist eine Entwicklung, die seit Jahren andauert. Um zu überleben, müssen die Wirte die Preise für Bier erhöhen. Doch das verschlimmert die Lage nur: Denn die Menschen kaufen ihr Bier nun lieber im Supermarkt und trinken es zu Hause.
»Vor 20 Jahren gingen die Menschen zwei, drei oder vier Mal pro Woche in den Pub. Heute nur noch einmal die Woche, weil sie es sich anders nicht leisten können«, sagt Patrick Linn. Der 43-Jährige ist Manager des Pubs »The Lamb and Flag« im Londoner Viertel Covent Garden. Seinem Beruf geht er inzwischen seit 17 Jahren nach, angefangen hat er in der ehemaligen Industriestadt Coventry. »Als ich dort im Jahr 2005 arbeitete, gab es allein in unserer Straße elf Pubs. Als ich die Stadt 2010 verließ, waren es nur noch zwei«.
Als Ursache für den Niedergang der Pubs nennt die British Beer and Pub Association (BB&PA) zum Beispiel das Rauchverbot, das 2007 in Kraft trat, sowie veränderte Freizeitgewohnheiten. Dazu kommt ein gestiegener Kostendruck für die Pub-Betreiber. Verantwortlich dafür seien vor allem stark gestiegene Steuern auf alkoholische Getränke. Die Biersteuer im Vereinigten Königreich liegt der BB&PA zufolge inzwischen bei 54 Pence (61 Cent) pro Pint - das ist rund zwölf Mal so viel wie in Deutschland. Begründet werden die hohen Steuern mit dem Kampf gegen Alkoholmissbrauch.
Doch auch andere Abgaben machen den Wirten zu schaffen. »Die Grundsteuer hat sich an einigen Orten vervielfacht«, sagt Linn. Betroffen seien vor allem London und der Südosten des Landes. Seiner Ansicht nach tragen auch die ständig steigenden Personalkosten dazu bei, dass immer mehr Pubs zumachen.
Im »The Lamb and Flag« kostet das günstigste Pint vier Pfund (rund 4,5 Euro) - zehn Prozent mehr als noch vor zwei Jahren. Insgesamt hat sich der durchschnittliche Preis für ein Pint im Vereinigten Königreich zwischen 2000 und 2017 der BB&PA zufolge beinahe verdoppelt. Die Zahl der Pubs ging im selben Zeitraum von 60 800 auf 48 350 zurück. Auch in Deutschland ist die Zahl der Kneipen deutlich zurückgegangen. Das Rauchverbot, das in den meisten Bundesländern seit gut zehn Jahren gilt, spielt dabei aber eher eine untergeordnete Rolle. Experten betonen vielmehr, dass sich der Anspruch der Besucher geändert habe - vor allem junge Leute wollten hierzulande mehr Entertainment.
Laut dem britischen Reiseführer »Good Pub Guide« gibt es derzeit das günstigste Bier in den ländlichen Grafschaften Shropshire und Herefordshire für durchschnittlich 3,37 Pfund. In London muss man durchschnittlich 4,44 Pfund für ein Bier hinlegen. Dabei empfinden die Briten drei Pfund als angemessenen Preis für ein Bier, wie eine im Juni veröffentlichte Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov unter mehr als 40 000 Briten ergab. Einer anderen Umfrage zufolge hält die Mehrheit der Briten ein Pint im Pub schlicht für nicht mehr bezahlbar.
Wie er mit seinem Pub, das seit 1623 existiert, trotzdem überlebt? Linn will gerade antworten, da unterbricht ihn eine Frau, die mit Partner und Kind das Lokal verlässt. »Danke für den wundervollen Service. Das Essen und die Getränke sind sehr lecker«, sagt sie, und verabschiedet sich. Linn kommt das gerade recht. »Die Kunden sind überzeugt und empfehlen uns weiter«, sagt er. »So überleben Pubs.« Das sei aber auch der Lage des »The Lamb and Flag« in der von Touristen belebten Metropole London zu verdanken. Wirtshäuser außerhalb des Zentrums hätten es schwerer und würden eher unter der Marktsituation leiden - und schließen. dpa/nd
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.