- Berlin
- Fahrverbote für Dieselfahrzeuge
Ein Anfang, aber keine Lösung
Berliner sehen mögliche Dieselfahrverbote zwiespältig / Viele denken an die Konsequenzen für ihren Alltag
Das Nadelöhr im Zentrum der Stadt scheint nie still zu stehen. Die Brückenstraße verbindet Kreuzberg und Mitte. Unablässig drängen sich Autos und Lkw durch die Häuserschlucht. Trotz einiger Läden verharrt auch keiner der Passanten. Niemand scheint bleiben zu wollen, hier direkt an einem der zentralen Wege über die Spree.
Die stark gesicherte Botschaft der Volksrepublik China dominiert den ersten Eindruck in der Brückenstraße. Einzig zwei protestierende Regimegegner hält es länger in der Gegend.
Die Brückenstraße ist eine von 20 Straßen, für die die Senatsverwaltung für Verkehr gegenwärtig Fahrverbote prüft. Zudem verhängte das Berliner Verwaltungsgericht am Dienstag in seinem Urteil ebenfalls Fahrverbote für einzelne Straßenabschnitte in der Hauptstadt.
Trotz der unmittelbaren Eindrücke dieser Ereignisse und angesichts der großen Verkehrsbelastung äußern sich viele Passanten differenziert zum Thema. Rentner Siegfried Gartke stützt sich nachdenklich auf seine Gehhilfe. »Nun, wenn es wirklich notwendig ist, dann würde ich das schon befürworten«, erklärt er dem »neuen deutschland«. »Auf der anderen Seite denke ich an all die Leute, die dann betroffen sind. Viele brauchen diese Autos ja für die Arbeit, zum Beispiel. Ich bin da wirklich zwiegespalten.«
Angesprochen sind damit unter anderem DHL-Spediteure. Einer von ihnen ist am Dienstag in der Brückenstraße unterwegs. Während er eilig Waren entlädt, empört sich der Mittdreißiger über die Pläne. »Diese Fahrverbote sind völliger Quatsch und treffen die Falschen«, sagt er. »Wir haben das Auto hier zum Beispiel erst dieses Jahr gekauft und wären wahrscheinlich trotzdem dran.« Wut klingt aus seiner Stimme.
Schnell wird klar, wie viele Menschen direkt aufgrund ihrer Lebensumstände betroffen wären, und sich diesen entsprechend äußern.
»Früher als Smog-Alarm war, gab es doch auch Fahrverbote. Natürlich stauen sich hier bei all dem Verkehr die Schadstoffe und steigen auch bis zu den Fenstern der Leute«, gibt eine Postbotin zu bedenken, zu deren täglicher Route die Brückenstraße gehört. »Und wir sind in diesen Straßen den ganzen Tag mit den Fahrrädern unterwegs. Wenn die Politiker glauben, es gibt ein Problem, dann müssen sie eben endlich Maßnahmen ergreifen.«
Gleichzeitig verlangt die Postbotin Augenmaß: »Wenn die Lkw nicht mehr zu den Geschäften kommen, dann will ich die Leute hören.« Tatsächlich sind Ausnahmeregelungen Teil der Überlegungen des Senats.
Einer Passantin gehen diese indes nicht weit genug. »Diesel ist ein Thema, aber es ist nicht das große Ganze«, sagt sie. Das, was da verhandelt werde, gehe zwar in die richtige Richtung, aber es sei ein Tropfen auf den heißen Stein. »Man kann anfangen damit, aber es löst nicht das Problem der Umweltverschmutzung in der Stadt.«
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