Mehr Schatten als Licht
Jürgen Amendt über die Zweiklassengesellschaft in den deutschen Hochschulen
Vor zwölf Jahren starteten der Bund und die Länder die sogenannte Exzellenzinitiative. Ins Leben gerufen wurde das Programm, mit dem die Spitzenforschung an den deutschen Universitäten gefördert werden soll, noch von einer sozialdemokratischen Bildungsministerin (Edelgard Bulmahn). Der Entscheidung, künftig zwischen »Spitze« und »Breite« zu unterscheiden, ging eine jahrelange Debatte voraus, in der viel davon die Rede war, es brauche ein »deutsches Harvard oder Oxford«, um wieder Nobelpreise einheimsen zu können. Und es war ein sozialdemokratischer Bundeskanzler (Gerhard Schröder), der »Leuchttürme der Wissenschaft« versprach.
Seitdem entwickelt sich das hiesige universitäre System zu einem, in dem es auch offiziell wieder Unis erster und zweiter Klasse gibt. Aber nicht nur zwischen den Universitäten wächst die Kluft, selbst innerhalb der als »Elite« definierten Hochschulen gibt es mehr Schatten als Licht. Im universitären Sektor ist in den vergangenen zwölf Jahren ein akademisches Prekariat entstanden, das sich auf schlecht dotierten, mit Drittmitteln finanzierten Stellen verdingen muss. An die Stelle einer ausreichenden Grundfinanzierung ist eine Projektfinanzierung getreten. So hangeln sich viele Wissenschaftler von Projekt zu Projekt, ohne eine Perspektive auf eine Daueranstellung im Wissenschaftsbetrieb zu haben. Die GEW schätzt, dass allein an den Universitäten 40 000 Dauerstellen im akademischen Mittelbau fehlen; dazu kommen rund 10 000 notwendige Personalposten an den Fachhochschulen.
Seit 2016 gibt es ein neues Befristungsrecht, durch das sich die Lage der Nachwuchswissenschaftler verbessern sollte. Eine befristete Anstellung sollte nur noch dann die Regel sein, wenn der Job der Qualifizierung des Wissenschaftlers dient. In der Praxis hat sich dies zum Schlupfloch für phantasiebegabte Hochschulinstitute erwiesen, die alles Mögliche als Qualifizierung deklamieren und für eine Kurzzeitbefristung nutzen.
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