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  • Politik
  • Bespitzelung türkischer Oppositioneller

Spionageverdacht gegen Berliner Polizisten

Behörden bestätigen Ermittlungen gegen Beamten, der türkische Botschaft mit Daten beliefert haben soll

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 2 Min.

Der Vorwurf ist geeignet, das deutsch-türkische Verhältnis nachhaltig zu belasten. Nach Informationen des »Tagesspiegels« soll der türkische Geheimdienst versucht haben, deutsche Staatsbedienstete zu rekrutieren. In einem konkreten Fall sollen deutsche Sicherheitsbehörden einen Berliner Polizisten beobachtet haben, der Ankaras Geheimdienst mit Informationen zu in Berlin lebenden Oppositionellen versorgt haben soll. Dabei soll es, so schreibt das Blatt, wohl um die Meldeadressen von im Exil lebenden Türken und Kurden gegangen sein. Nach Informationen des »nd« ist der betroffene deutsche Beamte nach Bekanntwerden der Vorwürfe bereits beurlaubt worden.

Von den Berliner Innenbehörden wurden Ermittlungen in dieser delikaten Angelegenheit nach der ersten Medienberichterstattung bestätigt. »Wenn sich der Verdacht der Übermittlung sensibler Daten an die türkische Botschaft gegen einen unserer Kollegen im Zuge der bereits laufenden Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft und das LKA bestätigen sollte, wurde hier nicht nur ein Diensteid gebrochen, sondern eine schwere Straftat begangen«, erklärte die Berliner Polizei über den Kurznachrichtendienst Twitter. »Ein solcher durch einen Einzelnen verursachter Schaden könnte nicht rückgängig gemacht werden«, hieß es zudem.

Auf nd-Nachfrage bestätigte ein Sprecher des Berliner Innensenators Andreas Geisel (SPD), dass der Senator »die Vorwürfe« kenne. »Wie immer bei laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft kann man das aber grundsätzlich nicht kommentieren.«

Für Berliner Bundestagsabgeordnete wie die Evrim Helin Sommer (LINKE), die seit zehn Jahren nicht in die Türkei einreisen kann, wiegt der Spionageverdacht schwer. »Für uns Bundestagsabgeordnete ist das beängstigend«, sagte Sommer dem »nd«. Bislang habe man sich hierzulande sicher gefühlt, das ändere sich nun offenbar. Deshalb müsse der aktuelle Fall dringend aufgeklärt werden, so Sommer.

Dass türkische Geheimdienste offensichtlich in Deutschland operieren, überrascht Innenexperten wie Hakan Taş überhaupt nicht. Der in der Türkei geborene Abgeordnete des Berliner Abgeordnetenhauses warnt seit Längerem vor den Aktivitäten des türkischen Geheimdienstes Millî Istihbarat Teşkilâti (MIT). Der Nachrichtendienst hat deutlich mehr Befugnisse als etwa der Bundesnachrichtendienst oder die Verfassungsschutzbehörden.

Bis zu 6000 Agenten, so vermutet Taş, sind in Deutschland unterwegs, um Exilanten auszuspionieren. »Leider hat die deutsche Bundesregierung das Problem heruntergespielt«, kritisiert Taş. Er fordert, dass betroffene Personen und deren Familienmitglieder kontaktiert und unterrichtet werden, wie sie sich verhalten sollen. Außerdem müssten alle türkischen Agenten sofort ausgewiesen werden.

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