Urteil: 16-Jährige dürfen in Thüringen wählen

AfD scheitert mit Klage vor dem Verfassungsgericht / Richter: Landesregierung besitzt gesetzgeberischen Spielraum beim Festlegen des Wahlalters

  • Lesedauer: 3 Min.

Weimar. 16- und 17-Jährige dürfen bei Kommunalwahlen in Thüringen auch künftig ihre Stimme abgeben. Das entschieden Thüringens Verfassungsrichter am Dienstag in Weimar. Die Senkung des Wahlalters um zwei Jahre verstoße nicht gegen das Grundgesetz und die Thüringer Landesverfassung, begründeten sie ihre Entscheidung. Die Landesparlamente hätten einen gesetzgeberischen Spielraum beim Festlegen des Wahlalters bei der Abstimmung über Kommunalparlamente, Bürgermeister- und Landratswahlen. Die AfD hatte eine Überprüfung der Wahlalter-Regelung in Thüringen verlangt.

Sie meldete damit Zweifel an, dass Minderjährige die nötige Reife haben, um das Wahlrecht auszuüben. Die AfD scheiterte mit ihrer Normenkontrollklage in allen Punkten. Dabei ging es auch um das Teilnahmerecht von Bürgern anderer EU-Länder an Bürgerbegehren und -entscheiden sowie von 14- bis 17-Jährigen und Ausländern an Einwohneranträgen. Während die Verfassungsrichter beim Wahlalter ein einstimmiges Urteil fällten, gab es in anderen Punkten Mehrheitsentscheidungen von sechs zu drei Richtern. Der Verfassungsrichter Manfred Baldus gab ein Minderheitsvotum ab.

Der Thüringer Landtag hatte 2015 das Wahlalter bei Kommunalwahlen in Thüringen um zwei Jahre von 18 auf 16 Jahre gesenkt. Mehrere andere Bundesländer haben eine ähnliche Regelung wie Thüringen. Tausende junge Leute hatten sich in diesem April an der Wahl von Landräten, Oberbürgermeistern und Bürgermeistern im Freistaat beteiligt. 2019 werden in Thüringen die Kommunalparlamente neu gewählt.

Die Landesregierung sowie Vertreter der rot-rot-grünen Koalition sehen durch die Entscheidung des Verfassungsgerichts die demokratischen Mitwirkungsrechte junger Leute gestärkt. «Ich freue mich, dass das Gericht die gesetzlichen Regelungen in Thüringen bestätigt hat», sagte Innenstaatssekretär Uwe Höhn.

Die Fraktionsvorsitzende der LINKEN, Susanne Hennig-Wellsow, erklärte: «Das ist eine Absage an alle, die 16- und 17-Jährigen nicht zutrauen, für die Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen. Dabei geht es bei vielen politischen Entscheidungen gerade auch um ihre Zukunft.» Sie bekräftigte das Ziel, das Wahlalter auch bei Landtagswahlen auf 16 Jahre zu senken. Dafür ist allerdings eine Verfassungsänderung nötig, bei der Rot-Rot-Grün auf die Stimmen der CDU als größter Oppositionsfraktion angewiesen wäre.

Jugendliche sollten so früh wie möglich an den demokratischen Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozessen teilhaben, sagte Justizminister Dieter Lauinger (Grüne). «Nach dieser grundsätzlichen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes wäre es gut, wenn die CDU ihre Blockadehaltung gegenüber dem Wählen mit 16 aufgeben und einer Änderung der Thüringer Verfassung zustimmen würde, damit dies auch auf Landesebene möglich wird», wandte er sich direkt an die größte Oppositionspartei im Land. Die Zustimmung der Union wäre für eine Änderung der Verfassung angesichts der aktuellen Mehrheitsverhältnisse notwendig.

«Die jungen Menschen in Thüringen haben gewonnen», kommentierte der Landesvorsitzende der Jusos, Oleg Shevchenko, das Urteil. Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Landtagsfraktion, Stefan Möller, zeigte sich nach dem Urteil enttäuscht. «Die Art und Weise, wie das Minderjährigenwahlrecht legitimiert wurde vom Verfassungsgericht, befriedigt uns nicht», sagte Möller.

Die Richter sahen unter anderem den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl durch die Wahlaltersenkung nicht verletzt. «Der Kreis der Wahlberechtigten wird nicht eingeschränkt, sondern erweitert, sagte der Vorsitzende Richter, Klaus von der Weiden. Zudem hätten Kommunalwahlen im Gegensatz zu Landtagswahlen einen starken örtlichen Bezug.

Strittig unter den Richtern war, dass Erwachsene von der Wahl ausgeschlossen sind, wenn sie unter Betreuung stehen, Minderjährige mit einem vergleichbaren Handicap nach dem Urteil aber nicht. Einen Betreuer erhalten nur Menschen ab 18 Jahre, wenn sie ihre Angelegenheiten nicht allein regeln können. Für Minderjährige - auch wenn sie psychisch eingeschränkt handlungsfähig sind - sind dagegen die Eltern zuständig. Der Richter Balus warf seinen Kollegen in einigen Punkten eine Geringschätzung von Bewertungen des Bundesverfassungsgerichts vor. Agenturen/nd

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