»Feige Schurken« fälschten in Fernost
Wahlen zum Gouverneur der russischen Region Primorje für ungültig erklärt / Streit um Neuansetzung
»Feige Schurken« seien im fernöstlichen Primorje am Werke gewesen, sie sei schockiert, schimpfte Ella Pamfilowa. Die Vorsitzende sah die ganze Arbeit ihrer Zentralen Wahlkommission Russlands zunichte gemacht. Ausdrücklich den Drahtziehern der »Gruppenverschwörung« drohte die Wahlchefin eine Untersuchung an, die diese bis zu vier Jahre ins Gefängnis bringen könnte.
Nach massiven Fälschungen offenbar in beiden Wahlgängen soll die Wahl des Gouverneurs der Region spätesten bis zum 16. Dezember wiederholt werden. Nach Auszählung von 99,1 Prozent der Protokolle führte der Herausforderer Andrej Ischtschenko von der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation (KPRF) mit 50,37 Prozent, Amtsinhaber Andrej Tarasenko von »Einiges Russland« schien mit 47,11 Prozent geschlagen. Dann wurde er jedoch mit 49,55 Prozent zum Sieger erklärt - oder gemacht. Er lobt nun die Annullierung des Wahlergebnisses als »fair« und bleibt bis zur Neuwahl geschäftsführend im Amt.
Sein Widersacher Andrej Ischtschenko von der KPRF, der nach eigener Führung in letzter Minute mit 48,06 Prozent und einem Rückstand von 7500 Stimmen überraschend zum Zweiten gezählt wurde, fordert seinen Sieg ohne Wiederholung. Vielleicht müssen die Gerichte entscheiden.
Bei der der Prüfung von Beschwerden seien eine »grobe Einmischung in den Wahlkampf unter Anwendung administrativer Ressourcen«, Stimmenkauf, Abstimmung unter Zwang sowie mehrfacher Einwurf von Stimmzetteln in die Urnen entdeckt worden, wurde Pamfilowa in den Medien zitiert. Unter anderem seien sämtliche Wahlprotokolle aus 13 Wahllokalen verschwunden. Mehr als 20 000 Stimmen seien nicht mehr nachprüfbar.
Die Kontrahenten beschuldigen sich nun gegenseitig des Betruges. Ein Hungerstreik des kommunistischen Kandidaten, der in Wladiwostok zum Protest aufrief, war nach zwölf Stunden wegen der angeordneten Überprüfung abgebrochen worden. Die Wahlchefin aus Moskau erklärte: »Es ist unmöglich, zuverlässig das Ergebnis der Willensbekundung der Wähler zu bestimmen.« Der Kreml billigte ihr Vorgehen. Es gehe Präsident Wladimir Putin nicht um diesen oder jenen Kandidaten, sondern um saubere Wahlen, erklärte sein Sprecher.
Eher überschaubare »Unregelmäßigkeiten« wie zum Beispiel das »Karussell«, bei dem mehrfach Stimmabgaben durch die gleichen Personen an verschiedenen Orten erfolgen, wurden zuletzt bei der Präsidentenwahl in diesem Jahr beklagt. Seit dem Ende der Sowjetunion beispiellose Massenproteste gegen Wahlfälschungen lösten hingegen die Parlamentswahlen von 2011 aus. Als am 12. Dezember 1993 Präsident Boris Jelzin seine Verfassung per Referendum durchbrachte, besserte sich die maue Wahlbeteiligung erst ab Nachmittag überraschend bis über die nötige 50-Prozent-Marke. Die Bekanntgabe der Zahlen hatte da schon das Präsidialamt selbst übernommen. Drei Jahre später rappelte sich Jelzin aus einem Tief von vier Prozent angeblich wegen einer tollen Werbekampagne auf über 35 Prozent im ersten und zum Sieg über den Kommunisten Gennadi Sjuganow mit 53,8 gegen 40,3 Prozent in der Stichwahl.
»Die Wahlen in Russland müssen maximal sauber werden«, fordert Wahlchefin Pamfilowa, »uns steht noch große Arbeit bevor«.
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