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Staatstrojaner für Dealer
Polizei will Einsatz vor allem bei Rauschgiftdelikten
Der sogenannte Staatstrojaner soll laut Regierungspolitikern eigentlich nur in Fällen von Terrorismus sowie schweren und schwersten Straftaten von Polizeibehörden eingesetzt werden können. »Hier geht es um Straftaten wie die Bildung einer kriminellen Vereinigung, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, um Kinderpornografie, Mord und Totschlag oder um schweren Raub mit Todesfolge«, sagte etwa der CDU-Abgeordnete Patrick Sensburg beim Beschluss des Gesetzes. Nach Recherchen der Website »Netzpolitik.org« wollen Behörden das umstrittene Überwachungsinstrument jedoch vor allem bei Drogendelikten verwenden.
Dies geht aus einem internen Schreiben des Bundeskriminalamtes von 2014 hervor, das »Netzpolitik.org« am Montag veröffentlichte. Die Redaktion hatte das Dokument über das Informationsfreiheitsgesetz bei der Onlineplattform »fragdenstaat.de« beantragt. Die Innenminister von Bund und Ländern erstellten das Papier offenbar, um »Ermittlungsdefizite« der Polizeibehörden ohne den Einsatz von Staatstrojanern aufzuzeigen. »Netzpolitik.org« vermutet, dass dadurch die Forderung der Behörden gestärkt werden sollte, das Instrument zur weitergehenden Strafverfolgung einsetzen zu dürfen.
Laut dem Papier ließ sich das BKA von den Polizeibehörden alle Ermittlungsverfahren zwischen 2012 und 2013 melden, die einen Einsatz des Staatstrojaners rechtfertigen könnten. Allein 53 Prozent der gemeldeten Fälle fallen dabei unter Rauschgiftkriminalität. Ein weiterer Schwerpunkt lag mit 23 Prozent bei Eigentums- und Vermögensdelikten. Dies stehe im Widerspruch zu den Beteuerungen, Staatstrojaner lediglich für »schwere und schwerste Straftaten« einsetzen zu wollen, betonte Andre Meister von »Netzpolitik.org«.
Derzeit laufen mehrere Beschwerden und Klagen gegen den massenhaften Einsatz des Staatstrojaners vor dem Bundesverfassungsgericht, unter anderem von der Datenschutzorganisation Digitalcourage, der Gesellschaft für Freiheitsrechte und mehreren Politikern sowie Journalisten. Seit gut einem Jahr ist der Einsatz der Spionagesoftware »FinFisher« für Ermittlungsbehörden zulässig. Nach der heimlichen Installation des Programms können sie auf Computer und Smartphones zugreifen und alle Informationen abgreifen. Kritiker sehen darin einen schweren Eingriff in die Privatsphäre der Bürger. Zudem würden IT-Sicherheitslücken ausgenutzt, statt sie zu schließen.
»Wer bei Alltagskriminalität mit Staatstrojaner-Angriffen antwortet, gefährdet nicht nur Grundrechte, sondern die digitale Sicherheit aller Bürger«, sagte Martina Renner, Mitglied im Innenausschuss für die Linksfraktion, gegenüber »Netzpolitik.org«. Das Bundeskriminalamt bleibe laut der Politikerin darüber hinaus den Nachweis schuldig, dass Verbrecher massenhaft digital abtauchen würden. Auch der Grünenpolitiker Konstantin von Notz äußerte Kritik: »Die Analyse der gesammelten Fälle zeigt eindrücklich, dass Staatstrojaner überwiegend eben nicht zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus eingesetzt werden.«
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