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»Wieder einmal Spielball der Weltpolitik«
In Iran nehmen die Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und kurdischen Organisationen zu
Am Mittwoch blieben in vielen Städten im iranischen Teil Kurdistans die Geschäfte geschlossen. Fünf kurdische Parteien hatten zum Generalstreik aufgerufen. Denn seit einigen Wochen überschlagen sich die Ereignisse: Zunächst hatten die Revolutionsgarden am vergangenen Samstag mit einem Raketenangriff ein Trainingslager von Milizen der Partei des demokratischen Kurdistans-Iran (PDKI) und das Hauptquartier der Kurdisch-Demokratischen Partei-Iran (KDP-I) zerstört. Beide Einrichtungen liegen in der Autonomen Region Kurdistan (ARK) im Irak.
Nach Angaben der dortigen Behörden wurden mindestens 21 Menschen getötet, unter den Opfern sollen sich auch Führungsmitglieder der KDP-I befinden. Kurz darauf ließen die iranischen Behörden bereits vor Jahren verhängten Todesurteile gegen mindestens drei kurdische Aktivisten vollstrecken. Sie sollen 2009 den Sohn eines islamischen Geistlichen getötet haben. Verurteilt wurden sie allerdings 2010 wegen »Abfall vom Glauben«, nachdem auch der Vater des Ermordeten Zweifel an der Täterschaft der Beschuldigten geäußert hatte.
Die Revolutionsgarden indes verwiesen in einer Stellungnahme auf einen Angriff auf einen Posten an der Grenze zum Irak, bei dem Ende Juli nach offiziellen Angaben zehn Soldaten getötet wurden. Die Revolutionsgarden sehen die Partei für ein freies Leben in Kurdistan (PJAK) hinter dem Angriff, man werde gegen jeden vorgehen, der die »Einheit und Stabilität der islamischen Republik angreift«. Die im Iran verbotene Gruppierung habe damiteinen 2011 geschlossenen Waffenstillstand aufgekündigt. Doch wer den Anschlag tatsächlich verübt hat, ist unbekannt.
Seit dem vergangenen Jahr hat die Zahl der Anschläge auf staatliche und militärische Einrichtungen im Iran zugenommen. Für Aufmerksamkeit sorgte vor allem ein koordinierter Angriff auf das Parlament und das Mausoleum von Ajatollah Ruhollah Khomeini in Teheran im Sommer 2017. Damals hatte die Terrororganisation »Islamischer Staat« die Verantwortung für sich beansprucht.
In den überwiegend von Kurden bewohnten Provinzen herrschte indes über Jahre hinweg relative Ruhe. Zwar werfen iranisch-kurdische Parteien und Organisationen dem Geheimdienst schon seit Jahren vor, weltweit Mordanschläge auf kurdische Aktivisten zu verüben. Doch die direkte Konfrontation vermieden beide Seiten stets, so gut es ging. Denn es ist nicht die staatliche Unabhängigkeit, sondern Autonomie in einem demokratisch organisierten, bundesstaatlich strukturierten Iran, die die fünf größten Gruppierungen anstreben. Dabei setzte man, seit die PJAK den bewaffneten Kampf gegen das Regime offiziell eingestellt hat, vor allem auf den Aufbau zivilgesellschaftlicher Strukturen, in denen die Kurden ihre Angelegenheiten am Staat vorbei selbst regeln. Ähnliches ist auch in den Regionen an der Grenze zu Pakistan und Afghanistan zu beobachten: Dort leben überwiegend Sunniten, die sich dem erzkonservativen System Saudi-Arabiens zugewandt fühlen. Dort hat sich ein außerstaatliches Rechts- und Gesellschaftssystem etabliert.
Doch seitdem US-Präsident Donald Trump im Mai die amerikanische Beteiligung am Atomabkommen aufgekündigt hat, ist das Misstrauen der iranischen Sicherheitsdienste gegen Autonomiebestrebungen stark gestiegen. Im Juni waren Mustafa Hijiri, Vorsitzender der PDKI und Abdullah Mohtadi, Chef der zweitgrößten, marxistisch-leninistisch ausgerichteten Partei Komalah, in Washington zu Gast. Hinter verschlossenen Türen traf man sich mit Lobbyisten und hochrangigen Politikern, und auch andere iranische Gruppen werden derzeit in Washington hofiert. In der iranischen Politik wird deshalb derzeit offen die Befürchtung geäußert, die US-Regierung könne tatsächlich solche Gruppen mit Geld und Waffen ausstatten, um das System wenigstens zu destabilisieren.
Doch dies ist nicht die einzige mögliche Interpretation für die Eskalation: Die PJAK steht der türkisch-kurdischen PKK nahe, die türkische Regierung fordert schon seit Jahren, Teheran möge entschiedener gegen die Gruppe vorgehen, weil diese der PKK logistische Unterstützung leiste. Vor allem ist Ankara die Bewegungsfreiheit ein Dorn im Auge, die kurdische Kämpfer im Dreiländer-Eck ARK, Türkei, und Iran haben. Im Angesicht der amerikanischen Sanktionen braucht Teheran jeden möglichen Partner.
»Mein Eindruck ist, dass wir Kurden wieder einmal zum Spielball der Weltpolitik werden, ohne dass für uns dabei etwas herausspringen wird«, sagt Nechschirwan Barzani, Regierungschef der ARK.
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