- Kommentare
- Verfassungsschutzbericht 2017
Sonderthema VS-Bericht
Martin Kröger über die miesen Analysen der Schlapphüte in Berlin
Der Verfassungsschutz wurde in Berlin in den vergangenen Jahren stark aufgerüstet - finanziell und personell. Dass dadurch die Expertise verbessert wurde, lässt sich zumindest nach der Kurzlektüre des jährlichen Verfassungsschutzberichts nicht sagen. Im Gegenteil: Auch unter Rot-Rot-Grün verfolgt die im Innensenat angesiedelte Abteilung einfach stur ihre simplen Extremismustheorien weiter.
Welche absurden Blüten das treibt, zeigt beispielsweise das vom Nachrichtendienst als »Sonderthema« genannte Feld des Antisemitismus. Mal abgesehen von der historischen Blindheit den Antisemitismus ausgerechnet in Deutschland als »Sonderthema« zu definieren, so wird auch der Hass auf Juden als quasi extremistisches Phänomen verharmlost - allen wissenschaftlichen Studien zum Trotz, die zeigen, dass antisemitische Stereotype eben nicht nur von Islamisten, Neonazis und einigen Linksradikalen verbreitet werden, sondern auch häufig von Menschen der konstruierten »Mitte«.
Welchen Schwäche dieses Konstrukt der angeblich ach so harmlosen »Mitte« des Nachrichtendienstes hat, wird darüber hinaus auch beim Beispiel AfD sichtbar. Die Partei ist selber kein Beobachtungsgegenstand des Verfassungsschutzes. Sie taucht aber im Kapitel »Linksextremismus« unvermittelt auf. Dort heißt es: »Aus Sicht der autonomen ›Antifa‹, die AfD- Wahlerfolge als symptomatisch für einen vermeintlichen ›Rassismus der Mitte‹ wertet, bietet sie sich aus diesem Grund als ›Feindbild‹ an.« Vermeintlicher Rassismus der Mitte? Auch dazu sagen seriöse Untersuchungen der Gesellschaft etwas anderes. Die Rechtspopulisten dürfte es sicher auch erfreuen, dass sie von den Nachrichtendienstschreibern als Opfer von Extremisten beschrieben werden.
Aber was hat das mit der Realität zu tun, in der Politiker der AfD immer wieder die Grenzen ihrer rechten Argumentationen verschieben? An dieser Stelle versagt das angebliche Frühwarnsystem Verfassungsschutz einmal mehr.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.