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Hohe Hürden für Amtsenthebung
Nach den Aussagen seines Ex-Anwalts Cohen geht der US-Präsident in den Angriffsmodus
Am Ende eines schwarzen Tages für das Weiße Haus mit den juristischen Schuldbekenntnissen zweier enger Vertrauter vergangener Zeiten konnte man wieder den typischen Trump erleben: Leugnen von Fakten, ganz ohne Fehlerbewusstsein, neue Versionen der Vorgänge, verbale Gegenangriffe. Scharf attackiert der US-Präsident vor allem seinen früheren Anwalt Michael Cohen. Der habe auf Druck der Staatsanwaltschaft doch »Geschichten erfunden«, um mit einem Deal sein Strafmaß zu mindern. Er selbst habe nur eines falsch gemacht: eine Wahl gewonnen, bei der alle erwartet hatten, dass Hillary Clinton und die Demokraten siegen würden, so Trump in einem am Donnerstag ausgestrahlten Interview in der Fernsehsendung »Fox & Friends«. Auch seine Sprecherin Sarah Huckabee Sanders betonte auf einer Pressekonferenz ein halbes Dutzend Mal, dass sich ihr Chef doch nichts habe zu Schulden kommen lassen. Schließlich sei gegen ihn keine Anklage erhoben worden. Diese Argumentationslinie hatte Anwalt Rudy Giuliani schon vorgegeben, als es im Betrugsprozess gegen Trumps Ex-Wahlkampfmanager Paul Manafort immer enger wurde.
Und doch bleibt: Der US-Präsident ist stärker denn je in seiner Amtszeit unter juristischen wie politischen Druck geraten. Denn es geht nach dem Geständnis Cohens nicht nur darum, dass der Immobilien-Milliardär einen Hang zu kriminell veranlagten Untergebenen hat. Sein langjähriger Rechtsbeistand räumte schließlich unter Eid ein, in Absprache mit Trump die Zahlung sechsstelliger Summen an Pornodarstellerin Stormy Daniels und Ex-Playmate Karen McDougal arrangiert zu haben, um mit diesem Schweigegeld Sex-Affären des Kandidaten zu vertuschen und so das Präsidentenvotum 2016 zu beeinflussen.
In seiner Lieblingssendung argumentierte Trump, Schweigegeldzahlungen seien »keine Verstöße gegen Wahlkampffinanzierung«. Er habe die 420 000 Dollar ja persönlich erstattet und nicht aus Wahlkampfmitteln. Das sehen Experten anders. Es waren Gelder der Trump Organization, fälschlich als Anwaltsgebühren deklariert. Und Bundesgesetze beschränken die Summe, die Einzelpersonen an Wahlkampagnen spenden dürfen; Unternehmen sind direkte Spenden ganz verboten - und Überweisungen müssen offen gelegt werden.
Zumal: Das alles sind bislang Kollateralschäden der Untersuchungen von Sonderermittler Robert Mueller in der »Russland-Affäre« um angebliche Moskauer Beeinflussungen des Wahlkampfs vor zwei Jahren. Nun aber geht es ans Eingemachte. Ab September steht Manafort (ein »mutiger Mann«, der »nicht einknickte«, so Trump) allein deshalb erneut vor Gericht. Und Cohen kann über seinen Anwalt gar nicht laut genug verkünden, was er alles zu Trumps Rolle in der Causa enthüllen könne. Sein Mandant habe nach dem Helsinki-Gipfel mit Wladimir Putin erkannt, dass »Trump ungeeignet für sein Amt ist«. Aber reicht all das schon für eine Anklage gegen den Präsidenten? Und dürfte seine Immunität überhaupt aufgehoben werden? Darüber streiten die Rechtsgelehrten.
Normalerweise macht sich ein Klient schuldig, wenn er seinen Anwalt zu kriminellen Handlungen anhält. Das Justizministerium geht in seinen internen Richtlinien aber davon aus, dass der Staatschef während seiner Amtszeit nicht für »einfache« Vergehen strafrechtlich verfolgt werden sollte. Verfassungsrechtler erklären, dass eine Anklage das Land zu stark destabilisieren und polarisieren würde. Anders wäre es bei »high crimes and misdemeanors«, also schweren Straftaten wie Landesverrat oder Bestechung. Sie könnten ein Amtsenthebungsverfahren zur Folge haben. Das wäre dann aber eine politische Ebene. Cohen-Anwalt Lanny Davis glaubt, dass Trump Verbrechen begangen habe, die einen solchen Prozess rechtfertigen. So werfe ihm sein Mandant vor, von den russischen Cyberangriffen 2016 auf die Demokraten gewusst und sogar dazu »ermutigt« zu haben.
Aber die Hürden sind hoch. Die Chancen der Opposition bei den Kongresswahlen im November steigen nach Ansicht von Politologen zwar mit solchen Schlagzeilen. Doch selbst wenn die Demokraten die Mehrheit im Repräsentantenhaus gewännen und damit ein Verfahren einleiten könnten - im Senat wäre dann die Zweidrittelmehrheit erforderlich. Und die würden sie ohne Republikaner nicht erreichen. Zudem dürfte der Fall vor dem Supreme Court landen, wo Trump mit seinen Richternominierungen für eine konservative Schlagseite gesorgt hat. Bisher gab es jedenfalls noch nie ein erfolgreiches »Impeachment«. Kein Wunder also, dass Nancy Pelosi, demokratische Fraktionschefin im Abgeordnetenhaus, jetzt erklärte, dass eine Amtsenthebung derzeit für ihre Partei »keine Priorität« habe.
Die Republikaner wissen ohnehin, dass ihre Wähler trotz aller Skandale und weiter beschädigter Glaubwürdigkeit nach wie vor hinter Trump stehen - im konservativen Lager über 80 Prozent, aber auch darüber hinaus sind es 40 Prozent. Und Trump spielt die Angstkarte: »Wenn ich je des Amtes enthoben werden sollte, würde der Markt zusammenbrechen. Ich denke, alle wären dann sehr arm«, so der Präsident im Fox-Interview. Republikanische Strategen vermuten, dass das Midterm-Votum eine Abstimmung über die Amtsenthebung wird, und hoffen, dass viele Anhänger bei der verbreiteten Einschätzung bleiben: Vielleicht wurde da was falsch gemacht, doch Verbrechen sind das nicht. Bedenkenträger sind bislang allein jene, die sich im November nicht zur Wiederwahl stellen - und so auch keine »Trumpisten« auf ihre Seite ziehen müssen. Es bräuchte wohl schon eine Enthüllung in Watergate-Größe, damit die Partei den Mann im Weißen Haus fallen lässt. Nach allen Erfahrungen mit Trump dürfte die dann allerdings auch keinen überraschen.
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