Der BFC am Abgrund, Union erleichtert und eine BSG in Feierlaune

Die Ostklubs erleben das vergangene Pokalwochenende ganz unterschiedlich - Chemie Leipzig hofft nun auf den »Klassenkampf«

  • Lesedauer: 4 Min.

Berlin, Leipzig, Jena. Schonungslos beschrieb René Rydlewicz die prekäre Lage beim BFC Dynamo. Erst der verpatzte Saisonstart in der Regionalliga Nordost, nun die deutliche 1:9-Klatsche im DFB-Pokal gegen den 1. FC Köln - dem Berliner Traditionsklub droht der jähe Absturz. »Wir sind weder in der Liga noch im Pokal konkurrenzfähig«, erklärte Trainer Rydlewicz am Sonntagabend mit gepresster Stimme in den Katakomben des Olympiastadions. »Wir müssen personell was tun, und wir müssen im täglichen Training viel tun, damit wir besser werden.«

Fast wehrlos hatte sich das Team des Viertligisten dem Bundesligaabsteiger ergeben, hätte sogar noch höher verlieren können. In der Vorsaison war der starke Auftritt in der ersten Runde mit dem 0:2 gegen Schalke 04 noch zur Initiallösung geraten. »Wir haben in den letzten zwei Jahren viel geschafft, auch viel Historisches«, erinnerte Rydlewicz fast schon melancholisch.

Zwei Landespokalsiege hintereinander, ein guter vierter Platz in der Vorsaison in der Regionalliga - nun steht der BFC als Vorletzter vor dem Abgrund. 1:19-Tore lautet die Bilanz der vergangenen vier Pflichtspiele. Abgänge wie von Topstürmer Rufat Dadashov können derzeit ebenso wenig kompensiert werden wie Verletzungen von mehreren Stammkräften.

Da konnten auch die Nachwende-Rekordkulisse von 14 357 Zuschauern im ungewohnten Olympiastadion und das erste DFB-Pokaltor im siebten Anlauf nicht trösten. »Wir müssen einen Brustlöser schaffen«, forderte Rydlewicz vor dem Ligaspiel gegen Budissa Bautzen am Freitag. »Es ist wichtig positiv zu bleiben, irgendwann hat ja jeder von den Jungs mal gute Dinge gezeigt.«

Chemie feiert Sensation

Nach dem grün-weißen Wunder sind die Pokalhelden von Chemie Leipzig bereit für den »Klassenkampf« gegen den ungeliebten Stadtrivalen. »Wir würden uns freuen, wenn wir jetzt RB bekommen. Das hätte noch mal eine besondere Brisanz«, sagte der Vorstandsvorsitzende Frank Kühne. Bundesligist RB Leipzig ist nicht nur sein Wunschlos für die Auslosung der zweiten Runde am Sonntag. Das mit etlichen Millionen hochgezogene Projekt ist so ziemlich das Gegenstück von Chemie. Die BSG schaffte trotz großer Tradition nie den Sprung in den Profifußball, durchlief nach der Wende jedoch gleich drei Insolvenzverfahren. Derzeit aber läuft es gut für den Klub aus Leutzsch: Tabellenführer in der Oberliga und Sensationssieger im Pokal gegen den Zweitligisten Jahn Regensburg (2:1).

Viele der 4999 Fans hatten danach den Rasen gestürmt, fast alle mit Freudentränen in den Augen. »Der Sieg ist für unsere Fans, sie waren heute der zwölfte, dreizehnte und vierzehnte Mann«, sagte Kai Druschky, der mit seinem 25-Meter-Hammer für den umjubelten Siegtreffer in der Nachspielzeit gesorgt hatte: »Heute Abend trinken wir das eine oder andere Bierchen. Morgen erwartet mich mein Chef aber im Büro.« Am Montagmorgen stand Druschky tatsächlich im Immobilienbüro auf der Matte. Doch sein Chef Christian Rocca, früher Präsident des Vorgängerklubs Sachsen Leipzig, schickte ihn mittags gleich wieder nach Hause.

Nicht nur auf der Arbeit wurde Druschky immer wieder auf seinen Sonntagsschuss angesprochen. »Wie ich den Ball getroffen habe, kann ich selbst nicht fassen. Ich habe nur gedacht: Bitte senke dich, bitte senke dich«, erinnerte er sich. Der Ball senkte sich ins Tor - und plötzlich wissen auch Stuttgarter, Hamburger oder Münchner, dass es im Leipziger Fußball nicht nur RasenBallsport gibt. Die große Rivalität pflegt Chemie zwar mit dem Regionalligisten Lok. Doch RB wird ebenfalls kritisch gesehen, auch von Chemie-Trainer Dietmar Demuth: »Was da alles im Vorfeld passiert ist, beispielsweise einem Verein die gesamte Jugendabteilung wegzukaufen, da versteht man schon, dass die nicht gerade herzlich willkommen sind.«

Union bewahrt in Jena Ruhe

Der kurze Arbeitstag freute den 1. FC Union Berlin auch mit Blick auf das kommende Spitzenspiel der 2. Bundesliga. Im Gegensatz zum nächsten Gegner erledigten die Köpenicker ihre Erstrundenaufgabe mit 4:2 bei Carl Zeiss Jena in der regulären Spielzeit. »St. Pauli musste in die Verlängerung. Ich bin froh, dass wir das Spiel in 90 Minuten gewonnen haben«, sagte Stürmer Simon Hedlund.

Der Schwede avancierte mit seinem Doppelpack zum Endstand von 4:2 zum Matchwinner. Die Berliner waren vorher ruhig geblieben, als der Drittligist Jena zwei Mal ausgeglichen hatte. »Wir wissen, dass uns ein oder zwei Gegentore nicht aus der Ruhe bringen. Wenn man die Nerven verliert, bekommt man noch mehr Gegentore«, sagte Kapitän Christopher Trimmel. »Wir können gut Fußball spielen, das müssen wir nur noch mehr zeigen.«

Die nächste Gelegenheit bietet sich am Sonntag daheim gegen St. Pauli. Beide sind noch ungeschlagen in der Liga. Die Hamburger stehen sogar verlustpunktfrei an der Spitze. Allerdings müssen sie das Pokalaus beim Drittligisten Wehen Wiesbaden (2:3) noch verarbeiten. Agenturen /nd

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