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  • Politik
  • Naziangriff auf Connewitz

Attacke auf leere Festung

Erster Prozess um Nazi-Randale in Connewitz hat begonnen

  • Hendrik Lasch, Leipzig
  • Lesedauer: 4 Min.

Dass die Haustüren verschlossen blieben, irritierte die Polizei. Als diese am Abend des 11. Januar 2016 informiert wurde, dass im Leipziger Stadtteil Connewitz ein Trupp Vermummter durch die Straßen zog, vermuteten die Beamten zunächst einen erneuten Übergriff auf einen schon öfter attackierten Polizeiposten - eine Einrichtung, die manchem Bewohner des linksalternativen Viertels ein Dorn im Auge ist.

Als man die Gruppe in einer stillen Seitenstraße gekesselt hatte, rechnete der Polizeiführer deshalb damit, dass sie ihm umgehend durch die Finger rinnt: »Üblicherweise gehen in Connewitz dann die Haustüren auf, und die Leute sind weg«, sagte der Beamte als Zeuge am Amtsgericht Leipzig, wo sich zwei der damals Beteiligten seit diesem Donnerstag verantworten müssen. Doch die Türen blieben zu: »Da haben wir überlegt, ob das wirklich Linke sind.«

Nein, es waren keine Linken, die an jenem regnerischen Winterabend durch Connewitz zogen und deren erste beiden jetzt schweigend und mit den Gesichtern hinter Heftern in Saal 200 des Gerichts sitzen. Vielmehr handelte es sich um einen gut organisierten Angriff von mehr als 200 Nazis auf das Viertel. Sie feuerten Leuchtraketen ab, entzündeten Bengalos und schlugen mit Stangen, Stöcken und sogar einer Axt auf Scheiben von Geschäften und Autos ein. Insgesamt 25 Wohnungen, Läden, Kneipen und Bars seien beschädigt und 18 Pkw demoliert worden, sagte Staatsanwältin Sandra Daute und bezifferte den materiellen Schaden auf 113 000 Euro.

In Connewitz gehe es öfter handfest zur Sache, sagte ein Anwohner, dessen Auto an jenem Abend zerlegt wurde. Er habe aber noch nie erlebt, wie ein Trupp Randalierer »eine komplette Straße zerlegt und jegliches Eigentum zerstört«.

Doch materiellen Schaden anzurichten, war an diesem Abend nur Mittel zum Zweck. Im Kern ging es um eine bis dahin beispiellose Provokation gegenüber der in Connewitz starken linksalternativen Szene. Das räumte einer der Beteiligten unumwunden ein, als der Trupp bereits im Polizeikessel saß und auf den Abtransport zur Polizeiwache im Zentrum wartete. »Wir sind nicht wegen euch hier«, bekam ein Polizist zu hören, der die Szene filmte, »sondern wegen der Zecken.« Juliane Nagel, im Leipziger Süden direkt gewählte Landtagsabgeordnete der LINKEN, spricht daher von »rechtem Straßenterror«. Ihre Fraktionskollegin Kerstin Köditz sieht in dem Überfall »eine der drastischsten Aktionen der rechten Szene in der jüngeren Zeit«.

Für den Überfall hatten sich die Nazis einen symbolträchtigen Tag ausgesucht - an dem zudem mit wenig Widerstand zu rechnen war. In der Innenstadt fanden die, wie es der Polizeiführer vor Gericht formulierte, »Feierlichkeiten« zum einjährigen Bestehen des islamfeindlichen Bündnisses Legida statt. An Gegenkundgebungen beteiligten sich über 1000 Menschen. Viele von ihnen kamen wohl aus Connewitz. Das zeigte sich im Straßenbild, sagte einer der eingesetzten Beamten: »Der Stadtteil war leer.«

Die Nazis hatten das vermutlich auf dem Zettel bei ihren Planungen, die von langer Hand erfolgt sein dürften. Dafür spricht, dass nicht nur äußerst breit in der rechten Szene mobilisiert wurde: Auf der später von Antifa-Kreisen publizierten Namensliste der Beteiligten finden sich Mitglieder von Kameradschaften ebenso wie NPD-Funktionäre, Anhänger verbotener Organisationen wie »Blood & Honour« oder Fußball-Hooligans und Kampfsportler. Zudem reisten die Angreifer nicht nur aus dem Leipziger Umland, sondern auch aus der Region Dresden sowie Sachsen-Anhalt, Thüringen und Berlin-Brandenburg an. Ein Polizist merkte vor Gericht an, er habe »ein, zwei Bekannte aus früheren Verfahren in Dresden« erkannt, »was uns erst einmal verwundert hat«.

Hätten die Sicherheitsbehörden die Szene besser im Blick gehabt, hätte die Verwunderung geringer ausfallen müssen. Das betont zumindest Köditz. Sie kritisierte wiederholt, der Verfassungsschutz habe vor dem Legida-Jahrestag vor Krawallen von links gewarnt, die Gefahr von rechts aber nicht wahrgenommen. Von den Prozessen erhofft die Politikerin sich Aufklärung darüber, warum die Aktion »nicht durch Behörden verhindert werden konnte«.

Erkenntnissen dazu gab es am ersten Prozesstag in Leipzig nicht, obwohl Richter Marcus Pirk 15 Zeugen vorgeladen hatte: Polizisten, Anwohner und Betroffene. Das Verfahren wird nächste Woche fortgesetzt. Es ist nur das erste von sehr vielen. Die über 200 Tatverdächtigen müssen sich jeweils paarweise vor Gericht verantworten. Allein am Amtsgericht Leipzig sind weitere 86 Verfahren zu erwarten.

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