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Zu krasser Eingriff

Arbeitsgericht schützt Beschäftigte vor Bespitzelung durch Arbeitgeber

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 3 Min.

Freilich ist dieser Fall besonders. Keine Frage. Aber er ist doch - Hand aufs Herz - im Grunde total alltäglich: Denn welcher Beschäftigte hat nicht schon mal die eine oder andere größere oder kleinere Aktivität unternommen, während er krank war. Insofern ist der Mann, dessen Fall am Mittwoch in Erfurt vor dem Thüringer Landesarbeitsgericht (LAG) verhandelt wird, einer von vielen. Wenn er es vielleicht auch selten unklug anstellte mit seiner Arbeit während der Krankheit. Denn nicht nur, dass er mal eben den Hof gefegt oder Fenster geputzt hätte. Er beteiligte sich nach Kenntnis des Gerichts im Herbst 2016 vielmehr an der Sanierung eines Hauses, das er geerbt hatte. Und das, während er krankgeschrieben war. Er soll auch noch durch sein mittelthüringisches Dorf gezogen sein und geprahlt haben, wie schön es sei, wenn man bei »seinem« Logistikunternehmen arbeite. Da könne man während der Krankschreibung noch ein Haus umbauen. Blöd für ihn: Einer, der das hörte, schwärzte ihn bei seinem Chef an.

Dass seine Firma deshalb den Anfangsverdacht haben durfte, sie werde von ihrem Mitarbeiter betrogen, das erkennt der Vorsitzende Richter der zuständigen Kammer des LAG, Michael Holthaus, während der Verhandlung durchaus an. Aber musste der Arbeitgeber dann gleich so krass gegen den Mitarbeiter vorgehen, wie er das tat? Immerhin handelt es sich beim Arbeiten während der Krankheit eben um so etwas ähnliches wie ein Massendelikt. Auch wenn es ganz schwer ist, konkret zu beziffern, wie häufig so etwas vorkommt. Nach einem aktuellen Bericht des MDR geht man immerhin sogar beim Thüringer Arbeitgeberverband davon aus, dass wirklich schwere Vergehen sehr selten sind.

Im Fall des Häusleumbauers allerdings ließ sich das Unternehmen von derlei Erwägungen weder leiten noch beeindrucken. Man engagierte - da ist die Aktenlage beim LAG eindeutig - einen Privatdetektiv, der den Mitarbeiter drei Tage bespitzelte.

Damit sei das Unternehmen ganz tief in die Privatsphäre und die Persönlichkeitsrechte des Mitarbeiters eingedrungen. Wie tief, das macht Richter Holthaus im Rahmen eines Rechtsgesprächs während der Verhandlung deutlich: Eine Überwachung in diesem Umfang dürfte vom Staat nur wegen ganz weniger Tatvorwürfe angeordnet werden. Einer davon: Der Betroffene müsse den Bestand der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Alles Wenden und Winden des Rechtsvertreters des Arbeitgebers nützt da nichts. Trotz seiner Verfehlungen habe der Mitarbeiter ja nicht weniger Persönlichkeitsrechte, argumentiert Holthaus.

Auf Drängen des Richters einigen sich beide Seiten schließlich aber nur auf einen Vergleich. Das verhindert, dass diese Rechtsauffassung des LAG in ein Urteil mündet, das viele Gewerkschafter und Betriebsräte in Deutschland wohl gerne gehabt hätten. 1200 Euro zahlt die Firma ihrem Mitarbeiter nun als Entschädigung für die Spitzelei. In der Vorinstanz - dem Arbeitsgericht Erfurt - waren dem Mann noch 1500 Euro zugesprochen worden. Gegen diese Entscheidung hatte das Unternehmen Berufung eingelegt, weshalb der Fall vor dem LAG landete. Doch, erklärt Holthaus, was seien schon ein paar hundert Euro, wenn andernfalls durch ein Urteil das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer schwer belastet worden wäre. Denn tatsächlich arbeitet der Mitarbeiter noch immer in dem Unternehmen. Was das vielleicht Krasseste an diesem Fall ist.

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