Nummer 189 kontrolliert gesprengt
Die Sprengung einer Fünf-Zentner-Bombe machte Teile Potsdams für Stunden zur Sperrzone
Eine 250 Kilogramm schwere Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg ist am Freitag in Potsdam in der Nähe des zeitweilig geräumten Sitzes der brandenburgischen Landesregierung durch eine kontrollierte Sprengung unschädlich gemacht worden.
Der Umgang mit dem gefährlichen Sprengkörper hatte sich zum wahren Krimi entwickelt. Nachdem sich am Vormittag die Entschärfung der leicht deformierten Fünf-Zentner-Bombe als nicht möglich erwiesen hatte, war am Mittag ein erster Sprengversuch wegen eines defekten Zündmechanismus gescheitert. Am Nachmittag mussten dann auch noch unbefugt in den Sperrkreis zurückgekehrte Menschen in Sicherheit gebracht werden.
Bereits am Morgen hatte es Verzögerungen bei der Evakuierung des Sperrgebiets im Umkreis von 800 Metern um den Fundort gegeben. Weil die Anordnung, die Zone bis 7.30 Uhr zu räumen, von einigen Anwohnern nur zögerlich befolgt worden war, hatte Sprengmeister Klaus Schulze erst ab 10.16 Uhr mit seiner Arbeit beginnen können. »Die Räumtrupps haben einige Anwohner angetroffen, die von der Evakuierung angeblich nichts mitbekommen haben«, sagte eine Stadtsprecherin.
Zur Dämmung der Detonation hatte die Feuerwehr 20 000 Liter Wasser in eine Mulde um die Bombe, die in 60 Zentimeter Tiefe lag, gefüllt. Zum Austausch des Zünders hatte man das Wasser wieder abpumpen müssen, um die Grube danach erneut mit Wasser zu füllen.
Rund 3000 Anwohner hatten am Morgen ihre Wohnungen im Sperrkreis verlassen müssen. Für den zeitweiligen Aufenthalt hatte ihnen die Stadtverwaltung unter anderem den Hauptbahnhof empfohlen, an dem ab 9.30 Uhr zwar der Zugverkehr ruhte, der aber nicht gesperrt wurde. Für die Zeit der Bombenentschärfung wurde der Bahnverkehr zwischen dem Hauptbahnhof Potsdam und dem S-Bahnhof Babelsberg unterbrochen. Der Regionalverkehr wurde umgeleitet. Verschiedene Straßenbahn- und Buslinien verkehrten nicht.
Der Fundort der Fliegerbombe liegt in einem Baufeld südlich der viel befahrenen Nutheschnellstraße, die die Autobahn A115 mit Babelsberg und der Potsdamer Innenstadt verbindet. Bereits am Mittwoch hatte die Stadtverwaltung angekündigt, dass Teile der Teltower und der Templiner Vorstadt zwischen Friedrich-List-Straße, Nuthestraße, Horstweg und Albert-Einstein-Straße von Sperrungen betroffen sein würden.
Damit sahen sich vor allem die Kummer gewöhnten Potsdamer aber auch die vielen Besucher, die bei hochsommerlichem Ferienwetter zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt strebten, wieder einmal mit erweiterten Verkehrseinschränkungen konfrontiert: Die Heinrich-Mann-Allee war zwischen Brauhausberg (hier befindet sich das neue Erlebnisbad »blu«) und Horstweg gesperrt, die Friedrich-Engels-Straße zwischen Leipziger Dreieck und Nuthestraße. Vor allem Ortsunkundige waren mit der Suche nach einer geeigneten Umfahrung schnell überfordert. Auch mancher Wassertourist machte ein langes Gesicht, denn auch die Nuthe war ab Horstweg für den Bootsverkehr dicht.
Gut immerhin, dass zumindest die Humboldtbrücke, die Lange Brücke und die Nuthestraße selbst nicht betroffen waren, ebenso blieben die Albert-Einstein-Straße und die Zufahrt zum Wissenschaftspark offen.
Von der Evakuierung betroffen waren auch die Staatskanzlei, mehrere Landesministerien, das Präsidium der Bundespolizei am Standort Heinrich-Mann-Allee 103, zwei Pflegeheime, eine Einrichtung des betreuten Wohnens, eine Kita, das Kulturzentrum Freiland, ein Kletterpark sowie das Märkische Druckzentrum mit der Redaktion der »Märkischen Allgemeinen«. Geschlossen werden mussten auch die Familienkasse der Arbeitsagentur und die Jugendberufsagentur Potsdam.
Die Stadtverwaltung hatte zur Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit zahlreiche Mitarbeiter auf die Straßen geschickt - insgesamt waren mehr als 200 Helfer von Stadt, Feuerwehr und Polizei im Einsatz. Aus der Erfahrung früherer Evakuierungsmaßnahmen hatte die Stadt gelernt und gewarnt, jede Störung bei der Evakuierung und Entschärfung zur Anzeige zu bringen oder selbst Bußgeldverfahren einzuleiten. Eine Störung der Gefahrenabwehrmaßnahme sei ein Verstoß gegen die Kampfmittelverordnung für das Land Brandenburg. Störer gefährdeten sich selbst und auch den Sprengmeister bei seiner Arbeit. Diese »Ordnungswidrigkeit kann mit einem Bußgeld von bis zu 5000 Euro geahndet werden«, heißt es in einer vorab verbreiteten Mitteilung.
In dem diesmal betroffenen Gebiet der Landeshauptstadt sind bei Erschließungs- und Bauarbeiten in den vergangenen Monaten immer wieder gefährliche Überbleibsel des Zweiten Weltkrieges gefunden worden. In der Regel handelt es sich um nicht explodierte Fliegerbomben, die bei den alliierten Luftangriffen vom 22. Juni 1944 (Ziel war die Teltower Vorstadt) sowie vom 14. April 1945 abgeworfen wurden. Letzterer hatte dem Bahnhofsgelände gegolten, jedoch weite Teile der Innenstadt mit ihren Barockbauwerken in Schutt und Asche gelegt. Im Zuge der Baufeldfreimachung wird seit Monaten systematisch nach Blindgängern gesucht. Mit dem aktuellen Fund hat sich die Zahl der seit 1990 regis᠆trierten Bombenfunde über 100 Kilogramm auf 189 erhöht. Am Freitag um 15.16 Uhr ist diese englische Fliegerbombe gesprengt worden. Mit dpa
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