Wo brennt’s denn?

Die Brandgefahr dieser Tage offenbart Defizite bei der Feuerwehr - Koalition sucht Auswege

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 4 Min.

»Und schafft euch beßre Gesetze an und beßre Feuerspritzen«, dichtete Heinrich Heine 1844 nach dem großen Brand von Hamburg zwei Jahre zuvor. Angesichts des heißen Sommers sind auch die märkischen Feuerwehren in diesem Jahr äußerst beansprucht. Ein Hilfeersuchen aus Schweden vor einigen Tagen musste abschlägig beschieden werden - was an Löschkapazität in Brandenburg noch vorhanden ist, werde hier vor Ort gebraucht, hieß es.

Tatsächlich geht der Entwurf für das brandenburgische Haushaltsgesetz (2019 und 2020) auf die angespannte Lage der Feuerwehren im Land ein und sieht als sogenannte Treueprämie für zehn Jahre aktiven Dienst bei der Feuerwehr, dem Vernehmen nach, pro Haushaltsjahr 4,5 Millionen Euro vor. Die andere Hälfte, die benötigt wird, sollten die Träger des Brandschutzes, sprich die Kommunen, gegenfinanzieren.

Dass hierbei das letzte Wort bereits gefallen ist, mochte der Fraktionschef der LINKEN im Landtag, Ralf Christoffers, am Montag nicht bestätigen, doch bezeichnete er die gesellschaftliche Anerkennung der aufopferungsvollen Tätigkeit der Feuerwehrleute als zentral. Eine Treueprämie sei dabei nur ein Aspekt, und bei der Frage, inwieweit die Kommunen hier ihren Anteil beitragen müssten, verwies Christoffers darauf, dass Brand- und Katastrophenschutz kommunale Aufgabe seien. In dem vom Präsidenten des Landesfeuerwehrverbandes, Werner-Siegwart Schippel, vorgelegten Stufenplan für die Novellierung des Brand- und Katastrophenschutzgesetzes sieht Christoffers eine gute Diskussionsgrundlage.

Auch die technische Ausrüstung und die Weiterentwicklung der Landesfeuerwehrschule in Eisenhüttenstadt (Oder-Spree) gehört für den Fraktionschef zum Themenkreis, der hier betrachtet werden müsse. Es dürften allerdings die Menschen fehlen, welche diese Technik dann im Ernstfall auch bedienen. Hier räumte Christoffers ein, dass in Brandenburg noch kein Patentrezept gefunden worden sei. Es habe in der Vergangenheit eine Reihe von Maßnahmen und Förderungen gegeben, um Nachwuchs für die sich ausdünnenden und überalternden Wehren zu rekrutieren. Am stetigen Absinken der Zahlen aktiver Feuerwehrleute habe dies jedoch nichts geändert. Dies sei aber kein spezifisch brandenburgisches Problem, sondern treffe auf sehr viele Regionen in Ostdeutschland zu. Wenn kein anderer Weg Erfolg verspreche, müsse auch über die Schaffung von hauptamtlichen Stellen nachgedacht werden. Christoffers will sich Gesprächen darüber nicht verschließen, »ob das ein Weg ist, den Brandschutz in Zukunft sicherzustellen«.

Der Landesfeuerwehrverband Brandenburg schlug mehrere Aspekte vor, unter denen das Brand- und Katastrophenschutzgesetz novelliert werden sollte. Neben einer Prämie von 1000 Euro für zehnjährigen aktiven Dienst, mehr Stellen für Hauptamtliche, die Anhebung der Altersgrenze und eine angepasste Gebührenordnung waren auch aufgestockte Mittel zur Brandschutzerziehung darunter. Was das Innenministerium an dieser Stelle bislang vorgelegt habe, sei nicht zufriedenstellend, so Christoffers.

Vor vier Jahren zählte die freiwillige Feuerwehr noch 45 000 Kameraden in Brandenburg, 2018 werden wohl die 40 000 unterschritten. Nicht allein, dass in ausdünnenden Regionen die Mitgliederzahl bei der Freiwilligen Feuerwehr sinkt. Weil viele ihrer Mitglieder tagsüber weitab vom Wohnort ihrer Arbeit nachgehen, sind die Feuerwehren im Alarmfall häufig genug gar nicht besetzt. Offen sprach Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) vor einiger Zeit bei einem parlamentarischen Abend des Landesfeuerwehrbundes in Brandenburg an, dass sich angesichts dieses dramatischen Schwundes und der nicht immer gewährleisteten Tageseinsatzbereitschaft die Frage stelle, inwieweit der Brand- und Katastrophenschutz wieder über hauptamtliche Feuerwehren gesichert werden sollte. Vor 20 Jahren hatte man auf die besorgniserregende Entwicklung mit der Bildung von sogenannten Stützpunktfeuerwehren reagiert, die zuverlässig ausrücken, allerdings riesige Gebiete abdecken müssen. Zum Brandherd ist die Fahrt dann gegebenenfalls sehr weit. Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) hatte bei dieser Gelegenheit unterstrichen, man müsse der Realität ins Auge sehen. »Mir helfen keine geschönten Zahlen«, sagte er und verwies auf das enorme Aufgabenspektrum der Feuerwehr, das von der Brandlöschung über das Beseitigen von Ölspuren auf Fahrbahnen bis zum Einsammeln toter Vögel und zur Rettung von Katzen reiche.

Die Prognosen gingen von einem Verlust von weiteren rund 5000 Kameraden aus, fügte Schippel hinzu. Zwar gelinge es, im Jahr etwa 2000 Kinder und Jugendliche für die Jugendfeuerwehren zu begeistern, doch wechselten von zehn Angehörigen der Jugendfeuerwehren im Durchschnitt nur drei in die regulären Wehren der Erwachsenen. Hier sei auch im Vergleich mit anderen Bundesländern noch aufzuholen.

Mit Blick auf die Diskussion um die Ausstattung der Behörden mit Dienstwagen stellte Schippel klar, dass Feuerwehreinsatzfahrzeuge für die öffentliche Verwaltung »keine herkömmlichen Dienstwagen« seien, weil sie »im Ernstfall sofort zur Verfügung stehen« müssten.

Ein Problem für die Feuerwehr sei auch die »EU-Regelungswut«, die verschärfte Anforderungen an den Führerschein fordere, unabhängig von der Personenzahl, die damit transportiert werde. Das mache es der brandenburgischen Feuerwehr zusätzlich schwer, bedeute Mehraufwand und Mehrkosten.

Allein den pro Jahr im Landesdurchschnitt rund 7000 Brandereignissen stünden immer weniger Wehren gegenüber, so Schippel. Hinzu komme eine Vielzahl weiterer Einsatzgründe. Eine Würdigung, wie etwa in Polen, wo der Sankt-Florians-Tag als Ehrentag der Feuerwehr begangen werde, gebe es nicht. Vielleicht könnte ja wenigstens der Sportler des Jahres auch einmal im Feuerwehrsport gesucht und gekürt werden. »Das wäre doch mal was.«

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