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Vom Handelskrieg zur Freundschaft

Nach dem Treffen zwischen EU-Kommissionspräsident Juncker und US-Präsident Trump sind Strafzölle abgewendet

  • Peter Eßer, Brüssel
  • Lesedauer: 4 Min.

»Ich wollte eine Einigung finden und wir haben eine Einigung gefunden« - EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker fasste sich kurz, als er nach dreistündigen Verhandlungen mit US-Präsident Donald Trump vor dem Weißen Haus in Washington vor die Presse trat. Im Wesentlichen bestätigte der Luxemburger, was der US-Präsident kurz zuvor etwas überschwänglicher verkündet hatte: Der Handelsstreit zwischen der EU und den USA ist vorerst beigelegt.

Trump hatte im Frühjahr Importe von Stahl und Aluminium in die USA mit zusätzlichen Abgaben belegt und so einen handfesten Handelskonflikt ausgelöst. Die EU reagierte mit Gegenzöllen. Trump kündigte wiederum an, Strafzölle auch auf Autos zu prüfen, was besonders Deutschland treffen würde. Gut die Hälfte aller in die USA exportierten Autos aus der EU stammen aus deutschen Werken.

Der Besuch von Kommissionspräsident Juncker und EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström am Mittwoch in Washington war ein letzter Versuch, die Spirale aufzuhalten. Die Erwartungen: niedrig. Zu vergiftet schien die Atmosphäre nach den aus europäischer Sicht desaströsen Auftritten des 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten beim G7-Treffen in Kanada im Juni und beim NATO-Gipfel in Brüssel vor gut zwei Wochen.

Kaum eine Gelegenheit hatte Trump ausgelassen, um seine Kritik an den EU-Ländern, »die uns im Handel abzocken«, zu wiederholen. Auch Brüssel hatte Anfang der Woche den Druck noch einmal erhöht und im Fall von Zöllen auf europäische Autos Vergeltung auf US-Waren im Wert von umgerechnet 17,1 Milliarden Euro angekündigt.

Und nun der Durchbruch: Importzölle auf Industriegüter sollen in absehbarer Zukunft gänzlich abgeschafft werden, kündigten Juncker und Trump an. Die bestehenden Strafzölle und Gegenmaßnahmen würden »überdacht« und weitere Strafzölle vorerst auf Eis gelegt. Die EU erkläre sich ihrerseits bereit, mehr Flüssigerdgas und Sojabohnen aus den USA zu importieren. Gemeinsam mit weiteren Gleichgesinnten sollen außerdem die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) überarbeitet werden.

Die EU werde ein »gewaltiger Käufer« von US-Flüssigerdgas, tönte Trump. Er hatte das Thema erstmals beim NATO-Gipfel offen angesprochen. Besonders die geplante Gaspipeline Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland ist ihm ein Dorn im Auge: Die Deutschen würden sich bei Energieimporten aus Russland abhängig machen, um sich dann vom Pentagon gegen Moskau militärisch verteidigen zu lassen, so Trumps Vorwurf.

Dahinter dürften jedoch auch wirtschaftliche Interessen stecken: In den USA steigt die Erdgasproduktion. Wegen der aufwendigen Förderung unter Einsatz der umstrittenen Frackingmethode und der Transportkosten über den Atlantik ist das Gas auf dem europäischen Markt bislang aber nicht konkurrenzfähig. Juncker versprach steigende Gasimporte »für den Fall, dass die Bedingungen korrekt und die Preise wettbewerbsfähig sind«.

Die Sojabohnen sind ein anderer Fall. Sie werden in Europa kaum angebaut. Schon jetzt importieren die EU-Staaten den größten Teil der hauptsächlich als Futtermittel genutzten Ware aus den USA. Diese Abhängigkeit war in der Vergangenheit durchaus Gegenstand von Kritik. Da EU-Landwirte unter einer weiteren Importerhöhung aber kaum leiden werden, dürfte Junckers Zugeständnis an Washington selbst für den sensiblen EU-Agrarsektor verkraftbar sein.

Hinzu kommt, dass Trump eine engere Kooperation im Agrarbereich bislang immer an den Abbau von Subventionen geknüpft hatte. Erst vergangenes Wochenende beim Treffen der G20-Minister in Buenos Aires bekräftige US-Finanzminister Steven Mnuchin diese Forderung. Die meisten EU-Staaten, allen voran Frankreich würden einem Abbau der milliardenschweren Agrarsubventionen aber nie zustimmen. In Washington war nun nur noch von Subventionsabbau im Industriesektor die Rede.

Auch bei der geplanten WTO-Reform geht der Punkt an Juncker: Der Schritt war vor allem eine Forderung der Europäer. Trump hatte mit seiner Grundsatzkritik am Multilateralismus bislang eher den Anschein erweckt, die internationale Handelsorganisation am liebsten in Schutt und Asche legen zu wollen.

»Das ist der Beginn einer Phase enger Freundschaft und enger Handelsbeziehungen«, sagte der US-Präsident feierlich. Das muss sich aber noch konkretisieren. Sowohl Trump als auch Juncker betonten, Strafzölle zurückfahren und keine neuen erlassen zu wollen, solange niemand Verhandlungstisch verlässt. »Die Drohkulisse bleibt«, bemerkte Bernd Lange, Handelsexperte der Europa-SPD - und damit eine gehörige Portion Skepsis.

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