Noch mehr Gift für Herne
NRW: Bürgerinitiative will gegen Genehmigung für Sanierungsanlage klagen
Der Protest gegen eine Anlage zur Sanierung von Giftstoffen in Herne (Nordrhein-Westfalen) ist vorerst gescheitert. Das Unternehmen darf zukünftig mehr Giftmüll verarbeiten. Die Bürgerinitiative »Dicke Luft« kündigt eine Klage an.
Seit 1992 gibt es mitten in der 150 000-Einwohner-Stadt im Ruhrgebiet unweit von Schulen, Kleingärten und dicht besiedelten Wohngebieten eine Anlage zur »thermischen Bodensanierung«. Geplant wurde die Anlage seinerzeit um Giftstoffe aus der langsam aus dem Ruhrgebiet verschwindenden Industrie direkt vor Ort zu sanieren. Doch die mittlerweile von der Firma »Suez« betriebene Anlage hat sich zu einer überregionalen Drehscheibe für die Beseitigung von giftigen Abfällen entwickelt. Belastete Böden aus dem AKW Würgassen, Bohrschlämme, PCB- und quecksilberhaltige Stoffe aus Hunderten Kilometern Entfernung werden nach Herne gefahren und dort, durch Erhitzen, von den Giftstoffen befreit.
2014 hat die Firma zum 22. Mal eine Änderungsgenehmigung für den Betrieb beantragt. Der Genehmigungsprozess zog sich hin, Unterlagen wurden nachgefordert und seit 2017 wehrt sich die Bürgerinitiative »Dicke Luft« gegen die Anlage. Ihr Hauptkritikpunkt: Herne sei schon jetzt hoch belastet und hätte eine erhöhte Krebsrate. Da könne es nicht sein, dass die Anlage zur Bodensanierung, ausgestattet mit zahlreichen Ausnahmegenehmigungen, noch mehr Schadstoffe in die Luft blase. Ziel ist ein komplett neuer Genehmigungsprozess - nach aktuellen Umweltvorschriften.
Nach und nach schlossen sich immer mehr Menschen dem Protest der Bürgerinitiative an, an einer Schule wurden Unterschriften gesammelt, der Rat der Stadt sprach sich gegen die Genehmigung aus. Doch die Entscheidung wurde bei der Bezirksregierung in Arnsberg gefällt. Dort genehmigte man nun die Erweiterung der Firma »Suez«. In einer Stellungnahme heißt es, das Unternehmen habe einen »Rechtsanspruch« darauf gehabt, da alle »Genehmigungsvorrausetzungen« bestanden hätten. Die Bedenken seien geprüft worden, hätten aber nichts an den Voraussetzungen geändert. Man habe den Antrag »zwingend positiv« bescheiden müssen.
Bei der Bürgerinitiative ist man wütend über die Genehmigung. Sprecher Gerd Kalus sagte dem »nd«: »Dass die Genehmigung mitten in der Urlaubszeit veröffentlicht wird, kritisieren wir. Das erweckt nicht den Anschein der Neutralität der Genehmigungsbehörde und hinterlässt einen schlechten Beigeschmack. Einige Antworten auf Fachfragen ist die Bezirksregierung noch schuldig. Von der bisher verkündeten Transparenz ist nicht mehr viel übrig.«
Der Widerstand gegen »Suez« soll weitergehen. Vier Wochen hat die Initiative nun Zeit, Klage einzureichen. Das muss über den BUND geschehen, weil dieser als Umweltverband zur Klage berechtigt ist. Die »Dicke Luft« will sich in den kommenden Tagen zur »strategischen Planung« treffen um zu prüfen, »welche der verschiedenen angreifbaren Punkte der Genehmigung« vorrangig beklagt werden sollen. Insgesamt ist Gerd Kalus optimistisch. Durch »die monatelange Vorbereitung« sei man »handlungsfähig« und könne jetzt zügig reagieren.
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