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Superteam gegen Nazi-Brezel
Über das Computerspiel »The Inner World: Der letzte Windmönch« aus dem Studio Fizbin
Die gute alte deutsche Brezel ist in Ihrem jüngsten Spiel satirisches Symbol einer fiktiven Faschistentruppe. Haben die selbst ernannten Brezelbrauchtumswächter den Protest bisher verschlafen?
Einige Leute haben das schon mitgekriegt (lacht). Aber notorisch Aufgeregte können wir beruhigen. Die Brezel hatte bereits der Oberschurke in der ersten Edition von »Inner World« auf seiner Schärpe. Und dieses hübsche Motiv haben wir dann eben im Nachfolgewerk »Der letzte Windmönch« wieder aufgegriffen - und ausgebaut im Zusammenhang mit einer Neonaziwelle, die jetzt ein anderer Demagoge namens Emil lostritt.
Besagtem Emil scheint über der Oberlippe dunkler Flaum zu wachsen.
Seltsam, eigentlich haben wir ihm doch gar kein Hitler-Bärtchen verpasst. Vielleicht fällt ja das Licht in manchen Sequenzen aus einem komischen Winkel ein (lacht).
Die Nazibezüge im Spiel sollen mehr oder minder zufällig entstanden sein?
Das nun auch wieder nicht. Die Verfolgung von Minderheiten, der Hass und die Angst vor dem Unbekannten war schon unser Anfangskonzept für das Spiel. Aber unsere ersten Entwürfe gingen noch in die Richtung, das mit Blick auf die berüchtigten Hexenverfolgungen von einst umzusetzen.
Was war der Auslöser, das Game inhaltlich neu zu justieren?
Die Produktion hat 2016 begonnen, als viele Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa waren und das Thema die Meinungen extrem polarisierte. Der Populismus gewann an neuer Kraft. Und das ließ in uns die Idee reifen, die Verfolgung einer Menschengruppe zu thematisieren, die sich vom Rest der Bevölkerung vermeintlich unterscheidet und die deswegen verantwortlich gemacht wird für alles, was schief läuft im System.
Emil kommt als typischer Spießer daher. Gemäß des Trotzki-Zitats, dass nicht jeder Kleinbürger ein Hitler werden könne, aber in jedem ein Stück Hitler stecke?
Richtig, jener Emil, der die dumpfe Masse da gegen die Flötennasen aufwiegelt, ist so einer. Zugleich verkörpert dieser Emil nicht das pure Böse, sein Charakter ist deutlich vielschichtiger. Der Mann handelt aus echter Überzeugung: Einer muss den miesen Job erledigen, sonst geht alles angeblich den Bach runter. Er sucht und findet verführerisch einfache Antworten - und das macht ihn besonders gefährlich.
Ist die unterhaltsame Form eines Adventure-Game nicht doch zu lustig, um sich auf diese Weise mit faschistischen Strukturen auseinander zu setzen?
Das glaube ich nicht. Entscheidend ist doch, ob unser Spiel die Gamer ohne erhobene Zeigefinger motiviert, über die Wurzeln von Fremdenhass und Rassismus nachzudenken.
Wahrscheinlich ist das nachhaltiger als langatmige Vorträge wohlmeinender Pädagogen.
Unbedingt. Und wir haben dafür auch schon entsprechend zustimmende Reaktionen erhalten.
Robert, der männliche Gegenpart von Emil, agiert oft blauäugig, während die coole Rebellin Laura stets weiß, was anliegt.
Starke und selbstbewusste Frauen finden wir gut. Wobei ich aber anmerken möchte, dass Laura und Robert unschlagbar sind, wenn sie als Team auftreten.
Auf jeden Fall demonstriert Ihr Game, dass Computerspiele wichtige Botschaften transportieren können. Und das dürfte Leute verblüffen, die noch immer nicht ihre Vorurteile gegen das Genre ablegen wollen.
Computerspiele sind ein Medium wie der Film, und ein Medium ist im Prinzip unschuldig. Natürlich gibt es fragwürdige oder bescheuerte E-Games, aber zugleich finden sich auch viele tolle Spiele. Im Idealfall legen die Betreffenden hinterher in der realen Welt ihre vorher passive Rolle ab. Und bringen sich positiv politisch ein. Wir wollen mit unserem Studio Fizbin in den gesellschaftlichen Raum wirken, die Spiele sollen die Gamer zur Reflexion anregen.
Träumen Sie nicht doch manchmal heimlich davon, auch einen krachenden Shooter wie Counterstrike - mit dem inzwischen riesige Arenen gefüllt werden - zu programmieren?
Ich habe nichts gegen gut gemachte Unterhaltungsspiele. Und auch wir programmieren zwischendurch Entertainment, das leichtfüßig sein darf. Ansonsten aber habe ich für mich persönlich den Anspruch formuliert: Schaue ich irgendwann mal auf meine Arbeit zurück, möchte ich bilanzieren können, dass ich etwas Sinnvolles getan und meine Zeit nicht verschwendet habe.
Weitere Infos: www.theinnerworld.de
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