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- Präsidialsystem in der Türkei
Staatsumbau im Eiltempo
Roland Etzel zu den ersten Maßnahmen des neuen Superpräsidenten Erdogan
Scham ist Erdogans Sache nicht, ebenso wenig Schamfristen. Gleich am ersten Tag nach seiner Investitur als Allmächtiger hat der Herrscher aller Türken begonnen, die Machtpyramide unter sich umzubauen. Neue Minister, Generalstäbler, Zentralbankchefs, drei Präsidialdekrete schon am ersten Tag. Den Türken sollen keine Zweifel kommen, woran sie jetzt sind und dass ihnen jeder Gedanke vergehen sollte, da mitreden zu können.
Auch einflussreiche Leute, die bisher nicht unbedingt zu Erdogans Gegnern zählten, dürften inzwischen nachdenklich geworden sein, wen sie da so hoch haben steigen lassen. Aber institutionalisierte Opposition hat es schwer. Das einzige, was der Minderheit im ohnehin entmachteten Parlament bei Erdogans Krönung als Protest blieb, war deshalb, stumm sitzen zu bleiben.
Obwohl das Land widerhallt vom Jubel über Erdogans kühne Ideen, reagieren selbst Investoren und Unternehmer, so sie (noch) nicht der Führerpartei angehören, offenbar gar nicht euphorisch. Sie können das nicht mehr offen sagen, wollen sie nicht auch als »Terrorunterstützer« enteignet werden. So wagte auch niemand Protest, als Erdogan gestern verkündete, alle Zentralbanker selbst auszusuchen. Als er auch noch seinen Schwiegersohn zum Finanzminister machte, erlaubte sich die Türkische Lira, im Kurs abzusacken. Wenigstens hat sie das Glück, dafür nicht verhaftet werden zu können.
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