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Das Elfenbeinzimmer

Verschollene wertvolle Möbel aus dem 17. Jahrhundert im Depot in Arnstadt gefunden

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

»Das ist ein richtiger Freudentag heute.« Samuel Wittwer, Direktor der Abteilung Sammlungen bei der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, gerät am Freitag ins Schwärmen. »Sensationell«, sagt er - und vergleicht die Möbel aus Elfenbein mit dem berühmten Bernsteinzimmer, das seit dem Zweiten Weltkrieg verschwunden ist.

Auch ein Spiegel, zwei Leuchtertische und Teile eines weiteren Tisches waren nach dem Zweiten Weltkrieg verschollen. Jetzt sind sie jedoch wieder aufgetaucht. Die Stiftung zeigt sie schon einmal im Schlossmuseum Oranienburg. Der Tisch soll aber noch restauriert werden. Das ist keine Kleinigkeit. Denn Zapfen für die Verbindung der Einzelteile sind herausgebrochen und die Tischplatte fehlt. Diese Platte ist schwer zu ersetzen, denn Elfenbein von Elefanten darf heute aus Gründen des Artenschutzes nicht mehr gehandelt werden. Vielleicht erhält die Stiftung aber beschlagnahmtes Material vom Zoll, oder sie behilft sich mit Stoßzähnen von einem Mammut.

Johann Moritz von Naussau-Siegen war 1636 zum Generalgouverneur der Besitzungen der Niederländischen Westindien-Kompanie in Brasilien ernannt worden. Damals fuhren zwischen Westafrika und der Neuen Welt die Schiffe der Sklavenhändler. Sie brachten aus Afrika neben schwarzen Arbeitskräften, die auf Plantagen ausgebeutet wurden, auch das Elfenbein, aus dem sich der Generalgouverneur eine komplette Zimmereinrichtung anfertigen ließ. Die Einrichtung vereint europäischen Geschmack mit brasilianischem Stil. Dergleichen ist sehr selten. Henriette Graf, zuständige Kustodin der Schlösserstiftung, kennt Möbel aus Elfenbein sonst nur aus Indien, wo solche Stücke ganz anders aussahen.

1647 trat Johann Moritz von Nassau-Siegen in die Dienste des brandenburgischen Kurfürsten, des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, und der kaufte ihm das bereits damals kostbare Elfenbeinzimmer 1652 ab. Das war wenige Jahre nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges, in dem Brandenburg schwer verwüstet wurde. Die Bevölkerung litt noch große Not, aber der Kurfürst leistete sich das Elfenbeinzimmer. Es gelangte später ins Hohenzollernmuseum im Berliner Schloss Monbijou. Wegen der Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg wurden die Möbel 1944 nach Thüringen ins Schloss Molsdorf verlagert. Eine Sitzbank, ein Faltstuhl und Hocker wurden dann bereits zu DDR-Zeiten zur Schlösserverwaltung nach Potsdam-Sanssouci zurückgebracht. Sie werden schon seit 1999 im Schlossmuseum Oranienburg gezeigt. Wie es den Tisch, die beiden Leuchtertische und den Spiegel ins thüringische Schloss Arnstadt verschlagen hat, ist nicht bekannt. Dort jedenfalls wurden sie nun im Depot entdeckt.

Es vergehe kein Monat, ohne dass nicht auf einer Auktion Stücke wieder auftauchen, die verschollen waren, berichtet Sammlungen-Direktor Wittwer. Im Falle des Elfenbeinzimmers habe der Zufall geholfen. Er habe einen vagen Hinweis erhalten und einen Brief nach Arnstadt geschrieben, allerdings keine Antwort erhalten und die Sache aus den Augen verloren. Doch dann meinte Antje Vanhoefen vom Kulturbetrieb der Stadt Arnstadt bei einem Treffen, sie könne ja einmal im Depot nachschauen. Dort stieß sie zunächst auf die Tische, später fand sich auch noch der Spiegel an.

Es sei ein »unglaubliches Glücksgefühl gewesen«, als ihm Vanhoefen Schappschüsse von den aufgefundenen Möbeln zuschickte, erinnert sich Wittwer. Antje Vanhoefen wundert sich nicht, dass die Mitarbeiter des Depots in Arnstadt über Jahrzehnte hinweg vorher nie unter die Tischplatten geschaut haben, wo sie Inventarzettel mit der Aufschrift »Hohenzollernmuseum« entdeckt hätten. Im Depot befinde sich sehr viel, und in den historischen Bestandslisten von Schloss Arnstadt gebe es ebenfalls Dinge aus Elfenbein, sodass es keinen Anlass für misstrauisches Nachforschen gegeben habe. Man hätte es vielleicht bei einer Restaurierung im Jahr 2027 bemerkt, sagt Vanhoefen, die zur Präsentation nach Oranienburg gekommen ist - in das einstige Schloss von Louise Henriette, der ersten Gemahlin des Großen Kurfürsten. Die Restaurierung sei nun Aufgabe der Schlösserstiftung. »Das haben uns die Kollegen hier abgenommen«, schmunzelt Vanhoefen.

Schlossmuseum Oranienburg, Schlossplatz 1. Di bis So von 10 bis 17.30 Uhr, Eintritt: 6 Euro, ermäßigt 5 Euro.

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