Eine Falle aus der Hexennacht

Blitzer-Attrappen sind gerade in kleinen Orten gar nicht mehr so selten - ein Bericht aus Oberöfflingen in Rheinland-Pfalz

  • Birgit Reichert, Oberöfflingen
  • Lesedauer: 3 Min.

Er ist nur eine Fälschung, aber er zeigt Wirkung: Ein weißer Blitzer-Anhänger, der im Eifeldorf Oberöfflingen wenige Meter nach dem Ortseingangsschild am Straßenrand steht. Und siehe da: Der Fahrer eines heranbrausenden gelben Autos von auswärts bremst, als er die vermeintliche Radarfalle sieht. Christoph Thul, der die selbst gebaute Attrappe mit Jan Hoffmann auf einem Privatgrundstück aufgestellt hat, sagt: »Wir hätten nie gedacht, dass das Ding so einschlägt.« Und es bremst nicht nur Raser aus, sondern kommt auch in dem Ort mit knapp 290 Einwohnern super an.

Sogar den Segen der Polizei hat das Imitat. »Es ist eine sehr gut gemachte Attrappe, die rechtlich nicht zu beanstanden ist«, sagt der Sprecher des Polizeipräsidiums Trier, Uwe Konz. Sie stehe auf einem privaten Grundstück, ohne Technik drin - und störe nicht den Verkehr. Beamte seien an Ort und Stelle gewesen, um den falschen Tempo-Messer zu checken. »Er ist beanstandungsfrei.« Für die Trierer Polizei sei der Fake-Blitzer »in dieser Form« einmalig. »Er ist unseren (echten) Anhängern mit sehr viel Liebe zum Detail nachempfunden.«

Aus der Ferne sieht der Kasten täuschend echt aus. Hoffmann, gelernter Heizungsbauer, hat ihn aus Grobspanplatten zusammengesetzt, weiß angestrichen - und ein Fenster reingeschnitten, in dem eine runde Holzplatte (»Das soll die Kamera sein«) und eine CD (»Das wäre der Blitzer«) hängen. Ein Nummernschild hat er auch.

Den falschen Blitzer hatten die beiden Oberöfflinger Hoffmann und Thul in der Hexennacht zum 1. Mai eigentlich »als Scherz« aufgestellt. Dann entdeckten die 32-Jährigen, dass der Streich ernsthaft ankam - und der Kasten blieb. »Wir wollen mit dem Blitzer Fahrer dazu animieren, langsamer zu fahren«, sagt Hoffmann. Als Erinnerung sozusagen. »Wir haben hier viele Kinder im Dorf.« Und immer mehr Verkehr. »Früher gab es hier mehr Traktoren als Autos.« Ortsbürgermeister Theo Weber sagt: »Die Attrappe ist gut angenommen worden.« Die Leute im Dorf wüssten mittlerweile, dass der Blitzer nicht echt sei. Aber Ortsfremde bremsten. »Ich höre viele, die hier voll in die Eisen gehen«, sagt Elke Tombers, die schräg gegenüber wohnt. »Eine tolle Idee. Er soll auf jeden Fall stehen bleiben.«

Die Eifeler sind nicht die Ersten, die mit einer kreativen Blitzer-Idee in die Schlagzeilen kommen. Im Frühjahr 2017 hatte ein Anwohner bei Markdorf am Bodensee aus einem Kanalrohr eine falsche Radarkontrolle gebastelt. Auch aus dem niedersächsische Allenbüttel gab es entsprechende Meldungen. Im Ruhrgebiet stellten Anwohner schon 2011 einen falschen »Starenkasten« auf.

Die Fake-Blitzer seien legal, wenn sie nicht im öffentlichen Verkehrsraum platziert würden und nicht in den Verkehr hineinwirkten, sagt der Fachanwalt für Verkehrsrecht Hans-Jürgen Gebhardt im saarländischen Homburg. Das heißt: Sie dürfen keine Lichtblitze aussenden oder Aufzeichnungen machen. Ansonsten gelte: »Was ich in meinem Garten anstelle, geht niemanden etwas an. Die Verkehrsvorschriften gelten nur für den öffentlichen Verkehrsraum.« Deswegen war auch eine Attrappe in Sachsen-Anhalt im Jahr 2015 nicht legal: Da blinkte aus einem Vogelhäuschen eine Fahrrad-Rückleute rot.

Dass sich Menschen offenbar über die Fakes auch aufregen können, zeigte ein Fall von 2005: Unbekannte hatten im Saarland einen falschen Blitzer mit einer Ladung Sprengstoff in die Luft gejagt - laut Polizei flogen die Teile bis zu 30 Meter weit.

Die Trierer Polizei hat nicht den Eindruck, dass Anwohner immer mehr selbst gebaute Blitzer aufstellen, wie Sprecher Konz sagt. »Es könnte natürlich sein, dass sie jetzt auf die Idee kommen, es zu tun.«

In der Tat: Die beiden Eifeler haben schon Anfragen aus anderen Ortschaften bekommen, ob sie für diese nicht auch so einen Fake-Blitzer bauen könnten. Das wollen sie aber nicht. »Wir haben keine Geschäftsidee dahinter«, sagt Thul. Es sei für sie »eine einmalige« Sache gewesen, meint Hoffmann. dpa/nd

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