Deutschland schiebt ab

In diesem Jahr bereits 4100 Menschen in andere EU-Länder gebracht

  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. Deutschland schiebt verstärkt Asylbewerber in andere EU-Mitgliedsländer wie Italien oder Schweden ab. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres wurden 4092 Flüchtlinge in den Staat zurückgebracht, der laut europäischem Recht für das Asylverfahren zuständig ist, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion hervorgeht. Die LINKE-Innenpolitikerin Ulla Jelpke wies darauf hin, dass dies auf das gesamte Jahr hochgerechnet fast 10 000 sogenannte Dublin-Überstellungen ergeben würde. Im gesamten vergangenen Jahr waren des demnach 7100 Fälle. Die Dublin-Regeln sehen vor, dass Asylanträge im Land der Erstankunft gestellt werden müssen.

Bei den nach den Dublin-Regeln zurückgeschickten Flüchtlinge handelte es sich der Antwort der Bundesregierung zufolge zu 12,8 Prozent um Iraker, zu 7,8 Prozent um Afghanen und zu 6,9 Prozent um Bürger der Russischen Föderation . Daneben waren vor allem Nigerianer, Syrer, Somalier und Iraner betroffen. Unter den Empfängerländern stand Italien mit 33,8 Prozent mit großem Abstand an der Spitze, gefolgt von Schweden mit 7,4 Prozent und Polen mit 7,2 Prozent. Erstmals gab es 2018 auch wieder Überstellungen nach Griechenland, allerdings nur insgesamt fünf.

Die Zahl der Übernahmeersuchen an andere EU-Staaten lag den Regierungsangaben zufolge mit 26 023 von Januar bis Mai 2018 noch deutlich höher und betraf 38,1 Prozent aller insgesamt in diesem Zeitraum gestellten Asylerstanträge. Auch hier gab es eine deutliche Steigerung gegenüber den Vorjahren. In knapp 7000 Fällen wies der betroffene Mitgliedsstaat den Antrag zurück, in mehr als 18 500 Fällen stimmte er zu. Etwa jede vierte geplante Überstellung nach Italien wurde von Gerichten in Eilverfahren gestoppt, bei Überstellungen nach Bulgarien waren es sogar 67 Prozent. Gleichwohl wurden 2018 bisher gut 1400 Flüchtlinge mehr an andere EU-Staaten überstellt als Deutschland in Gegenrichtung übernahm.

Die »gestiegene Effizienz der Dublin-Abschiebemaschinerie ist kein Grund zur Freude«, erklärte dazu Jelpke. »Menschen werden nachts ohne Vorankündigung aus den Betten gerissen, Familienangehörige getrennt und in völlig überlastete EU-Staaten geschickt, in denen sie unter menschenunwürdigen Bedingungen leben müssen.« Besonders die Überstellungen nach Griechenland, wo die Betroffenen dann »absehbar in elendesten Verhältnissen landen« würden, seien »ein Skandal«. AFP/nd

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