Diplomatie auf der Pirsch
In Groß Schönebeck erzählen Ausstellungen die Geschichte der Schorfheide als Jagdrevier der Mächtigen
Dass das hübsche Haus mit dem fast quadratischem Grundriss einst ein Jagdschloss war, erkennt der Laie sofort: Sowohl an der äußeren Fassade als auch in den Räumen - im Trauzimmer in Groß Schönebeck (Barnim) finden sich präparierte Geweihe und andere Jagdtrophäen in großer Zahl. Preußische Könige, deutsche Kaiser, der Boxer Max Schmeling, die Nazigröße Hermann Göring und auch DDR-Staatschef Erich Honecker (SED) und Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) haben ihre Spuren hinterlassen - denn sie alle jagten einst in der Schorfheide. »Hier wurde Politik zu Pferde oder auf der Jagdkanzel gemacht - und das seit Jahrhunderten«, sagt der Vorsitzende des Schorfheide-Museumsvereins, Helmut Suter.
An diese Art der »Jagddiplomatie« erinnern mehrere Ausstellungen sowohl im Schloss als auch in der restaurierten Scheune nebenan. »Vieles wissen wir lediglich durch Zeitzeugen, denn Absprachen auf der Jagd wurden nur selten protokolliert«, sagt der Historiker. Mehr als 2,5 Millionen Euro, darunter ein großer Teil an Landesfördermitteln, flossen bisher in die Schönheitskur für das Schlösschen. 640 000 Euro kostete die Gestaltung der Ausstellungen.
Die Gemeinde Schorfheide sorgt seit 2005 dafür, dass der kleine Barockbau ein Anziehungspunkt mit jährlich etwa 12 000 Besuchern ist. »Per Erbbaupachtvertrag haben wir das ortsbildprägende Haus für 50 Jahre vom Land Brandenburg gepachtet«, erzählt Bürgermeister Uwe Schoknecht. Schmelings Jagdtrophäen habe die Gemeinde für die Ausstellung erworben, erzählt er. Für noch mehr Aufsehen und großes Besucherinteresse sorgt allerdings die Ausstellung unter dem Motto »Jagd und Macht«. Der Teil, der direkt im Schloss gezeigt wird, widmet sich der Ära der Könige und Kaiser. In der Scheune erfahren Besucher mehr über die Jagd in Weimarer Republik, Nazizeit und DDR. Honeckers Jagd-Lederjacke gehört ebenso zu den Exponaten wie eine hölzerne, kunstvoll verzierte Jagdtruhe, die Kremlchef Leonid Breschnew einst als Gastgeschenk mitbrachte. Die Geheimnisse des Schlosses sind noch längst nicht alle gelüftet, sagt Peter Hartmann, seit gut einem Jahr Museumsleiter in Groß Schönebeck. »Was hier heute steht, ist der Barockbau von 1834. Wir wissen aber von mehreren Vorgängerbauten. Die genaue Baugeschichte wird noch erforscht.« Besucher seien stets überrascht, sagt der Museumsleiter. »Denn entgegen so mancher Vorstellungen sind wir weit entfernt von herkömmlichen Heimatstuben.«
Um für Besucher die Entstehungszeit des heutigen Schlosses mit allen Sinnen erlebbar zu machen, gibt es am kommenden Wochenende in Groß Schönebeck erstmals ein Barockfest - mit Kostümen, Theater, Tanzworkshops, Salutschüssen und einer Lichtinstallation im Schloss. Für das nächste Jahr ist Hartmann zufolge die erste Schorfheider Jagdmesse rings um das Schloss geplant. dpa
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