Zeit zum Ausschlafen

Niedersachsens Landtag hat entschieden: Reformationstag künftig schul- und arbeitsfrei

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach Gutsherrenart, so mag es Beobachtern erscheinen, hatte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) seinen Landsleuten schon vor geraumer Zeit das Reformationsdatum, den 31. Oktober, als zusätzlichen Feiertag »verordnet«. Dies geschah zwar im Einklang mit dem SPD/CDU-Regierungskabinett und wurde am Dienstag von der komfortablen Landtagsmehrheit einer Großen Koalition abgesegnet. Doch: Vor allem religionslosen Menschen und solchen anderen Glaubens dürfte der Vorstoß des Regierungschefs erscheinen, als werde ihnen ein schul- und arbeitsfreier Tag übergestülpt, ohne dass zuvor mögliche Alternativen offen und auf breiter Ebene diskutiert wurden. Eine Ansicht, die auch von nicht wenigen Landtagsmitgliedern geteilt wird.

So zum Beispiel von den 13 CDU-Abgeordneten und einem SPD-Mann, die schon vor der Plenarsitzung als »Feiertagsrebellen« durch lokale Medien geisterten. Sie wollten in Niedersachsen den Buß- und Bettag reaktivieren, einen Mittwoch im November. Er war 1995 - außer in Sachsen - bundesweit abgeschafft worden, um durch Mehrarbeit die Pflegeversicherung zu finanzieren. Als wieder eingeführter Feiertag in Niedersachsen würde er nicht jene Bedenken auslösen, die sowohl Juden als auch Katholiken gegen den Reformationstag hegen, argumentierten die 14 Parlamentarier.

Sie hatten womöglich elf weiteren Politikern - Mitgliedern der Grünen und der SPD - Mut gemacht, sich gegen den Reformationstag zu stellten. Verhältnismäßig kurz vor der Landtagssitzung beantragten diese Abgeordneten: Man möge den 23. Mai als »Tag des Grundgesetzes« in den Feiertagskalender aufnehmen.

Auch sie hatten, wie die anderen »Rebellen« und auch wie die FDP, die einen zusätzlichen Feiertag gänzlich ablehnte, keine Chance gegen den Rest der GroKo, auch wenn der Fraktionszwang bei dieser Abstimmung aufgehoben worden war. Die meisten SPD- und CDU-Politiker sagten dann auch Nein zum Vorschlag der Grünen, den Internationalen Frauentag am 8. März und den Europatag am 9. Mai zu Feiertagen zu erklären. Und an derselben Mehrheit prallten schließlich alle Bedenken ab, die aus der Opposition gegen den Reformationstag vorgebracht wurden. Etwa von der Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Anja Piel. Sie erklärte, der 31. Oktober, an dem Martin Luther im Jahr 1517 mit dem Anschlag seiner Thesen an die Schlosskirche zu Wittenberg die Reformation eingeläutet haben soll, sei ein Tag, »mit dem ein Großteil der Menschen in Niedersachsen nichts anzufangen weiß und der für manche ein Affront ist«. Etwa für Katholiken, die den 31. Oktober als Tag der Trennung empfinden, und für die jüdischen Gemeinden. Die Regierungskoalition stoße das Land mit diesem Datum »auf pietätlose Weise vor den Kopf«, mahnte Piel.

Schon vor Monaten hatte es seitens jener Gemeinden Protest gegen Stephan Weils Feiertagspläne gegeben. Ist doch der Reformationstag untrennbar mit dem Namen Martin Luthers verbunden, der in seinem Schrifttum noch heute mit antisemitischen Unrat schreckt.

Trotz alledem: Das Datum des Thesenanschlages kommt also nun endgültig in Niedersachsens Feiertagskalender. Wie die Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger den Tag nutzen wird? Wahrscheinlich so, wie es einer der »Rebellen«, der frühere Landtagspräsident Bernd Busemann (CDU), vermutet: als »Landes-Ausschlaftag«.

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